Samstag, 26. Mai 2012
Wir sind die Guten: Die HypoVereinsbank über Selbstverständnis, Verdrängung, Verarbeitung und Realitätsverlust.
Das Bild hängt wirklich im Besprechungszimmer einer HypoVereinsbank in München. Der Künstler ist kein Kind, wie man annehmen könnte, sondern die Mitarbeiter einer Abteilung der HypoVereinsbank. Gesehen am Freitag den 25.Mai 2012.
Auch Banker sind Menschen. Menschen mit Gefühlen. So viel Unheil ist über Bankern ausgeschüttet worden, dass deren heiles Weltbild plötzlich arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Gestern winkten einem die Nachbarn noch zu. Heute zeigen sie mit dem Finger auf einen. Damit muss man klar kommen. Das ist hart. Sehr hart.
Gestern zog man sich noch seinen schicken Anzug mit Krawatte an. Heute geht man ohne aus dem Haus und das Jackett und die Krawatte sind im Büro gebunkert. Bloss nicht als Banker erkannt werden. Der Wutbürger soll unberechenbar sein. Viele Banker wachen seit einiger Zeit schweissgebadet Nachts mit dem gleichen Alptraum auf. Der geht so: Mitten in einer Fußgängerzone zeigt plötzlich ein Passant auf den Banker und schreit: «Da ist er! Er ist Schuld! Er ist der Banker, der das alles angerichtet hat!» Die anderen Passanten bleiben stehen und starren auf den Banker. Plötzlich kippt die Stimmung und der Mob will Selbstjustiz. Sie bedrängen den Banker. Beschimpfen ihn übel. Und dann eskaliert die Situation. Der Banker wird zu Tode geprügelt. [Wer sich erinnert, gab es so ähnlich in dem Film Marathonmann]
Nun schiesst der Bänker schweiss gebadet aus dem tiefen Schlaf und versteht die Welt nicht mehr. Er ist traumatisiert, schwer sogar. Darum braucht er Hilfe. Die bekommt er in Form von Unternehmensberatungen. Für den Psychiater reicht es nicht, er ist nicht mehr privat versichert. Und das jetzt! Die Unternehmensberatungen bieten nun nicht nur noch Kurse an wie: Kosten runter und Gewinn rauf- Wie presst man die Zitrone am besten. Oder: Wie verkauft man Produkte, die keiner mehr versteht. Sondern auch: Hilfe zur Selbsthilfe - Bänker in Lebensgefahr.
Und im Zuge einer dieser 14tägigen Selbsthilfegruppen ist dieses eine Bild entstanden. 27 Mitarbeiter einer Abteilung der HypoVereinsbank haben daran mitgewirkt. Die Kosten von 22 Millionen für das Seminar, gingen zum Glück nicht vom Boni ab, sondern wurden aus dem Topf der Steuergelder bezahlt. Wäre ja noch schöner.
«Wir sind die Guten.» Was will uns dieser Satz „nicht“ sagen? Das Kommunikation nicht das ist was man sagt, sondern das, was der andere versteht. Das gilt für das geschriebene Wort ebenso. Ein Blick ins Dschungelbuch hätte genügt um zu erkennen, dass schon die Schlange Ka genau die gegenteilige Wirkung kassierte, als sie einfühlsam skandierte: «Vertraue mir!» Liebe Banker, ihr müsst das Buch nicht lesen, es gibt auch einen Film, der heisst identisch.
Aber werfen wir einen Blick auf das Bild und die weiteren Bildelemente, die man erkennen kann. Ein Haus. Ein See mit Fischen. Eine Sonne. Ein Baum. Eine Blume. Ein Schmetterling. Zwei halbe Regenbögen. Eine Person im Türrahmen. Das Haus hat eine Etage. Geranien vor den Fenstern.
Der echte Psychologe erkennt sofort, wie schwer hier eine Wahrnehmungsstörung vorliegt. Das Ausmaß dieser Verhaltensauffälligkeit ist so enorm, dass man nur vor solchen Menschen mit so einer Persönlichkeitsstörung warnen kann. Ja warnen muss.
Denn die Fische im Teich stellen offenbar die Kunden da, die so leicht zu ködern waren. Wie mit einem großen Treibnetz musste man sie nur aus dem Meer von Geld der vernetzten und undurchsichtigen Anlageberatungen ziehen.
Und nun? Sie warten gerade zu darauf. Die Fische warten, dass die Fischzüge weiter gehen. Ja sie betteln darum, dass es wieder weiter geht. Nehmt uns die Existenz - Bitte.
Aber da steht dieser isolierte und frustrierte Mensch im Haus. Er ist nicht beim Angeln. Offensichtlich kann oder darf er nicht angeln. Keine Boote in Sicht. Keine Netze - nichts. Man hat dem Mensch die Instrumente genommen, womit er seiner Tätigkeit nachgeht. Jetzt kann er nur die Geranien gießen und muss auf besseres Wetter warten.
Denn der große Regen der Beschuldigungen und Anklagen ist gerade erst auf sie herunter geprasselt. Das sieht man an den Regenbögen. Die zeugen davon, dass es gerade erst aufgehört hat zu regnen. In der Zwischenzeit ist zum Glück aber nicht alles so trüb und aussichtslos. Denn jemand hat eine blühende Pflanze zur Verfügung gestellt. Und der Schmetterling ist der Beweis für die Fruchtbarkeit dieser Pflanze.
Die Pflanze steht eindeutig für die staatliche Förderung, welche dem Banker über das Schlimmste hinweg hilft. Aber er ist gefangen zwischen dem Überfluss der staatlichen Förderungen und dem Überfluss an Kunden-Fischen im Meer des Geldes.
Deshalb resümiert er: Wir sind die Guten. Wie haben doch nur das getan, worum die Fische bettelten. Wir haben doch nur das genommen, was der Staat uns angeboten hatte. Ist das nicht zutiefst menschlich? Wer würde das nicht tun?
Darum ist der Banker traumatisiert. Er versteht die Welt nicht mehr. Es ist wie bei Frau Honecker oder nach dem dritten Reich. Viele haben doch nur ihre Pflicht erfüllt. Darum können diese nicht verstehen, dass an einem Tag noch alles mit rechten Dingen zu ging und am nächsten soll alles falsch gewesen sein? Das kann doch nicht sein. Die Fische wollten es doch auch. Das sieht man doch.
Lieber Banker, doch das kann sein. Es kommt noch schlimmer. Es ist so. Wer sich in einem Rechtsstaat und einer sozialen Marktwirtschaft Vorteile auf Kosten der Allgemeinheit verschafft, weil er eine Lücke im System entdeckt hat, die keiner vorher berücksichtigen konnte, weil niemand so habgierig denken wollte. Dann trifft einen eine besondere Form von Schuld: Die moralische. Das ist so, als ob man ein Portmonaie findet, in dem Kreditkarte, Bargeld und vieles mehr sind. Dann hat man mehrere Möglichkeiten, damit umzugehen. Ihr habt eine Form gewählt, die wir unseren Kindern nicht beibringen wollen und nicht beigebracht haben. Das macht man nicht, auch wenn man kann und keiner zuschaut. Das ist ein Prinzip unserer Gemeinschaft. Ein Gutes.
Unser Land lebt davon. Der Schutz der Demokratie ebenfalls, das wir Menschen sind, die eine Haltung haben. Diese ist geprägt von einem Gerechtigkeitssinn. Diese Haltung steht nicht bis ins Detail in Gesetzbüchern. Das ist nicht möglich. Diese Haltung vermittelt einem das Gefühl, wenn etwas gut ist oder wenn etwas schlecht ist. Und daran sollte man sich einfach halten. Wenn etwas gut ist und wenn etwas schlecht ist. Gut - schlecht.
«Wir sind die Guten?» Nein, ihr seit nicht die «Guten». Ihr wart einmal vor langer Zeit die Guten. Dann wurdet ihr zu den Schlechten. Zur Zeit seit ihr noch immer die Schlechten, was das Bild eindrucksvoll beweist. Aber auch wir geben Euch die Chance und die Zeit Euch wieder zum Guten zu wenden. So sind wir. Die mit der Moral. Über die ihr euch so aufgeschüttet habt vor lachen und es immer noch macht. Wie das Bild zeigt.
Dafür haben wir Euch viel Geld geben. Und wir haben euch bis jetzt in der Fußgängerzone noch nicht verprügelt. Aber so ein Bild in einem Besprechungszimmer der HypoVereinsbank aufzuhängen, in dem ein schlecht vorbereiteter, unpünktlicher, unaufmerksamer, gefühlsloser und arroganter Berater einer Frau mitteilt, dass der Kredit für eine Wohnung, die ihrem gerade verstorbenen Bruder gehört hatte, nicht verhandelbar und veränderbar ist und bei dessen Angaben der Abtragszahlung er sich auch noch verrechnet hat. Die für viel zu viel Geld bewertet und verkauft wurde, so dass ihr die HypoVereinsbank unglaublich viel am Kredit verdient habt und nun noch über den Tod verdienen wollt. Eine Wohnung, deren Verkehrswert zwischen 30 bis 40 EUR angegeben wird. Die am Ende 100.000 EUR gekostet haben wird. Von der ihr nicht mal ein Gutachten beim Kauf gemacht habt. Weil ihr euch mit den Vermittlern so einig wart. Was für ein Geschäft. Und die Fische im Teich sind euch alle ins Netz gegangen. Die zahlen 70.000 EUR mehr als der Wert der Wohnung. Diese Menschen, habt ihr in die Verzweiflung in den Ruin getrieben. Die konnten sich leider keine teuren Anwälte leisten. Und die hatten auch keine Politiker in ihrem Aufsichtsrat.
Ihr habt so viel unendliches Leid und Trauer über Menschen in diesem Land gebracht. Habt euch hinter der Gier der Menschen versteckt. Mit dem Satz: Die sind doch selbst schuld, warum sind die auch so gierig? Aber der Satz funktioniert nicht. Nicht wirklich. Denn wie ich schon beschrieben habe, diese Menschen haben euch vertraut. Die haben sich euch anvertraut. Sie fühlten sich verbunden mit euch. Und genau an diesem Punkt, habt ihr Schuld auf euch genommen. Ihr habt alle diese Menschen verraten und betrogen. Ihr habt das in euch gesetzt vertrauen missbraucht. Die waren nicht gierig. Die waren sehr zutraulich.
Denn die haben das alles nicht geprüft und verstanden, weil sie euch vertraut haben. Wie sich eure Existenz nun anfühlt, wenn euch niemand mehr vertraut, das spürt ihr ja jetzt. Darum ist genau dieser Satz: «Wir sind die Guten», der Grund, warum wir, «die nicht Guten», euch wohl nie mehr vertrauen sollten.
«Wir sind die Guten», ist nicht nur der Satz eines Psychopaten. Sondern er ist auch noch zynisch und beleidigend. Er zeigt wie wenig ihr mit der Wirklichkeit umgehen könnt.
Der Satz ist dumm. Sehr dumm. Ich hoffe, dass viele diese Zeilen gelesen haben und dieses Bild sehen. Dass alle Menschen euch ständig und überall darauf hinweisen, was moralische Verantwortung gegenüber sich selbst, den Menschen und einem Land bedeutet. Dass es nicht darum geht, in einem so wunderbaren Land eine Lücke im System zu finden und diese erbarmungslos auszunutzen, sondern genau das nicht zu tun.
Um bei dem oben beschrieben Bild zu bleiben, gebt das Portmonee einfach dem rechtmäßigen Besitzer zurück. Entdeckt die Moral, die auf einem guten Weg war, aus diesem Land ein besonderes zu machen. Aus einer gewissen moralischen Verpflichtung. Moral. Wenn ihr nicht wisst was das ist, fragt nicht die Unternehmensberater, sondern ein Kind in der U-Bahn. Einen älteren Mann im Park auf einer Bank. Eine Mutter. Eigentlich könnt ihr alle Fragen, außer euch selbst.
Montag, 30. April 2012
Das herrliche Knacken ist zurück.
Nach gefühlten 25 Jahren ist ein alter Bekannter «Der Schallplattenspieler» wieder bei mir eingezogen. Nach dieser sehr langen Zeitspanne, in welcher der Convenience-Gedanke stark im Vordergrund stand, kehrt nun wieder die Musik zurück in den Mittelpunkt meines Interesses. Ich komme wieder dahin zurück, wo alles anfing.
Ob ich nun 100.000 Titel oder nicht auf einer Festplatte habe, von wo aus ich per WLAN, Bluetooth, Ethernet, über iPhone, iPad, iCloud, MacBook iMac etc. überall Musik hören kann, hat mich zunehmend gelangweilt und immer weniger interessiert. Mir ist aufgefallen, dass ich immer weniger Musik gehört habe. Immer häufiger habe ich ab- und aus- geschaltet. Das ständige Gedudel, vor allem von schlechter Musik, ging mir gehörig auf die Nerven. Das ist wie in einem Steakhaus, in dem zu einem Superpreis «All you can eat» angeboten wird, man selbst ist aber Vegetarier. Die Musik wurde zudem nicht besser, sondern nur die technischen Anwendungen drum herum. Eigentlich höre ich zu 80% noch immer dieselbe Musik wie vor 25 Jahren. Da ist nicht viel Neues und Gutes dazu gekommen.
Das ist alles so, als ob es in deinem Lieblingslokal nun Online-Booking über die Webseite gibt und WLAN und die Tageskarte per PDF und eine Webcam aus dem Lokal und ein IPad auf der Toilette und das Gericht des Tages per SMS, die Rechnung per Bluetooth, die Wetterapp auf deren Webseite, ... Das ist ja alles nett und sicher fortschrittlich. Aber eigentlich geht es mir in meinem Lieblingsrestaurant um das gute Lebensgefühl. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Umgeben von den richtigen Menschen. Einfach gutes Essen in einem kulturellen Umfeld, das meiner Person entspricht. Und da zählt der bekannte Kellner, der Lieblingsplatz, der schöne Ausblick, die lieben Bekannten - mehr, als alles andere. Das man ankommt an einem Ort, an dem man sich sehr wohl fühlt. Das ist und bleibt so. So schön die schöne neue Welt auch ist, der Primärnutzen bleibt davon letztendlich unberührt. Das wird einem im Laufe der Zeit bewusst.
Die Technik hat sich in den Vordergrund gemogelt. Und nicht die Musik. Die Convenience Argumente haben mich eine Zeit begeistert und begleitet, aber am Ende geht es mir dann doch um die Musik. Die intensive Zeit mit guter Musik.
Und die Musik braucht meine ganze Aufmerksamkeit, eine Schallplattenlänge mindestens Zeit und einen Ort der zum Musikhören geeignet ist. Gute Musik braucht nur einen guten Zuhörer. Der Musik selbst ist es dabei völlig egal, woher sie kommt, wie sie klingt. Das ist Sache des Hörers. Das ist Sache der persönlichen Kultur. Trinkt man aus dem Glas lieber als aus dem Becher?
Ich wollte wieder „richtig“ Musik hören. Nicht viel, sondern gut. Nicht überall, sondern genau an diesem Ort. Nicht alles, sondern nur das Wenige besonders Gute. Nur Musik und ich. Keine Ablenkung, keine Technik zu viel. Kein Convenience.
Zeit nehmen. Aufstehen, hingehen, Platten aussuchen. Vorfreude empfinden. Schallplatte raus holen. Auf den Plattenteller legen. Von Staubkörnchen befreien. Nadel absenken. Mein Lieblingsknistern vernehmen. Hinsetzen und umhüllt von bezaubernder Musik genießen. Nicht mehr und nicht weniger.
Zur Zeit habe ich nur ein paar Platten. Aber die haben es in sich. An denen kann ich mich gar nicht satt hören. Die kleine Auswahl ist wohltuend, das ist wie die Tageskarte in einem guten Restaurant: Fisch oder Fleisch? Wenn Fisch dann... Das war´s. Weniger ist eben dann doch meist mehr.
Es fällt mir schwer zu beschreiben, was ich wiedergetroffen habe. Was wieder bei mir eingezogen ist. Vielleicht ein sehr guter alter Freund, den ich lange nicht gesehen und gehört hatte und er hat alle seine guten Erinnerungen und Geschichten mitgebracht. Wunderbar. Analog. Echt. Authentisch. Warm. Wohltuend. Sensibel. Wohlklingend.
Ich habe den Ort, den Moment und das Gefühl zurück, was ich so lange vermisst hatte, ohne das ich wusste, was ich vermisst habe. Nun weiß ich es. Die Musik. Nichts als die Musik.
Montag, 23. April 2012
Frei. Freiheit. Freiheiten.
Im Laufe meines Lebens wird mir erst bewusst und klar, was Freiheit überhaupt für mich bedeutet. Für mich persönlich. Der Begriff ist so politisch belegt, dass ich mir lange gar keine persönlichen Gedanken darüber gemacht habe. Die Politik will Freiheit. Freiheit erhalten. Freiheit erringen. Freiheit erzielen. Freiheit verteidigen. Was sie damit genau meint, bleibt eigentlich unklar. Es gibt z.B. Pressefreiheit. Die Formen der politischen Freiheit schaffen mir den Rahmen für meine persönlichen Freiheiten.
Aber die wichtigsten persönlichen Freiheiten bleiben sogar von den politischen weitestgehend unberührt. Die meisten persönlichen Freiheiten bleiben sogar weitestgehend unberührt und ungenutzt.
Persönliche Freiheiten sind eigentlich darauf beschränkt und begrenzt, was man im Rahmen der Gesetzgebung darf. Und im Rahmen von Moral und Ethik. Wir haben die Freiheit, so schnell Auto zu fahren, wie wir wollen. Wir haben die Freiheit zu wählen. Wie haben die Freiheit zu entscheiden. Wir haben die Meinungsfreiheit und derer unzähliger mehr.
Dabei ist Freiheit vor allem ein Gefühl. Wie Sicherheit. Und Liebe. Das Gefühl bestimmt die gelebte Freiheit. Das bedeutet, dass man sich sogar im Gefängnis frei fühlen kann. Freiheit ist vor allem im Kopf. Und Freiheit ist kein Selbstbedienungsladen, in dem man sich die Taschen voll packt, bis jemand stopp sagt. Freiheit ist nicht was man macht, sondern sich die Freiheit zu nehmen, vieles bewusst nicht zu machen.
Unsere wirkliche Freiheit ist eigentlich durch unser Verhalten immer in Gefahr. Vor allem Angst raubt uns das gute Gefühl von Freiheit. Schuld steht dem in nichts nach. Vor allem das Schuldgefühl. Wir sehen, leben und nutzen Freiheiten nicht, weil uns negative Gefühle davon abhalten.
Die gedankliche Freiheit ist die wichtigste und schönste. Die Freiheit wahrhaftig, authentisch, man selbst zu sein. Es sind die vielen kleinen Freiheiten des Tages, die das Leben zu etwas ganz besonders Wundervollem machen.
Für Menschen, die aber in hierarchischem Denk-System groß geworden sind wie ich, ist das mit den persönlichen Freiheiten nicht so einfach. Das muss man wie laufen lernen, erst erlernen. Denn vor meiner Freiheit stehen gesellschaftliche Aspekte wie Pflicht, Gehorsam, Folgen, Befehlen, Anordnen, Verfügen, Anweisen, Verpflichten, Bewerten, Anpassen, Funktionieren, Prüfungen, Leistung, Nachweis, Beweis, Anspruch, Gesetze, Regeln, Ordnung. Die sogenannten Bürgerpflichten. Und die darin bestehenden und gewachsenen systemimmanent hierarchischen Strukturen. Das bedeutet, deren Freiheit gehen solange vor, bis ich an der Reihe bin. Eine Art Befehlskette der persönlichen Freiheit.
Da ich überhaupt nicht in hierarchischen Systemen denken und handeln kann, kam ich in diesen auch nie zurecht. Der Gedanke allein, ich ich würde in einem Konzern arbeiten oder in einem Amt oder in einem anderen hierarchischen System treibt mir schon den Schweiß auf die Stirn. Das ein System über meine Freiheit entscheidet. Wann die dran ist. Wie ich diese auszuüben haben. Das alles kann ich psychisch nicht ertragen und körperlich nicht bewältigen.
Meine Versuche auch in solchen Systemen erfolgreich zu sein, sind gescheitert. Diese haben mich zudem krank gemacht. Ich bekam eine Neurodermitis, Magen-Probleme und war cholerisch. Und einige andere Nebenwirkungen mehr. Gerne wäre ich in einem dieser großen Systeme größer geworden. Aber es war schnell klar, dass dieses Unterfangen für beide Seiten nicht sinnvoll wäre.
Meine Vorstellung nach persönlicher Freiheit. Mein Wunsch nach Selbstbestimmung. Meine Sehnsucht nach der Freiheit der Gedanken. Für alles das ist in hierarchischen Systemen kein Platz. Aus gutem Grund.
Aber es brauchte Jahre bis ich meine Programmierung erkannte. Bis ich diese in Frage stellte und wirklich anfing meine Wünsche auch in meinem Mittelpunkt zu stellen. Eigentlich habe ich erst in den letzten Jahren begriffen, was persönliche Freiheit überhaupt bedeuten könnte. Erst in den letzten Jahren habe ich wirklich ernsthaft angefangen, Freiheit wirklich zu wagen.
Das viel mir nicht leicht. Denn das System in meinem Kopf, wie man in dieser Gesellschaft zu funktionieren hat. Wie man Anerkennung, Status, Geltung und Bewunderung erhält. Liegt wirklich diametral dem gegenüber was ich nun Schritt für Schritt erlebe.
Ich lerne die vielen kleinen Freiheiten zu leben. Die mir das Gefühl einer sehr großen persönlichen Freiheit vermitteln. Und meine Gehversuche sind manchmal wirklich komisch. Das ist so, als ob man 20 Jahre in einer Zelle genau 4 Meter x 3 Meter als Bewegungsfreiheit hatte und nun steht man in Freiheit und man hat das Gefühl,wenn ich nur einen Meter weiter als diese gewohnten 4 Meter gehe, dann passiert was Schreckliches.
Ich habe es heute Morgen z.B. nicht geschafft zu frühstücken. Bin aber trotzdem pünktlich im Büro gewesen. Dann habe ich mir gedacht. Spinnst du? Das Frühstück ist wichtig. Es gibt dir Energie für den Tag. Also, du gehst jetzt in ein Café bestellst dir ein Frühstück und dann gehst du ins Büro. Ich kann mir diese Freiheit auf Grund meiner Lebenssituation nehmen. Aber ich traue es mir eigentlich im weit überwiegenden Teil meines Lebens nicht. Ich verhalte mich wie ein Mini-Konzern.
Was besonders bescheuert ist. Denn der Gewinn meiner Lebensform ist die Freiheit. Denn dafür muss ich einen Totalverlust an Sicherheit in Kauf nehmen und verkraften. Das kann ich komischerweise seit 20 Jahren ohne Problem. Selten weiss ich, womit ich in 2 oder 4 Monaten mein Geld verdiene. Aber es hat immer irgendwie funktioniert in den letzten 20 Jahren. Da habe ich ein Urvertrauen. Das es immer irgendwie schon gut weiter geht.
Aber gleichzeitig lebe und nutze ich den emotionalen Gewinn meiner Lebensform nicht. Falsch! Habe ich nicht genutzt. Seit einiger Zeit lerne ich, diesen zu nutzen. Ich gehe einfach mal eine Stunde früher aus dem Büro und gehe joggen. Ich verplappere mich im Café und bleibe einfach mal eine Stunde länger sitzen. Während der Arbeitszeit nehme ich mir Auszeiten und höre Jazz. Schreibe. Lese. Surfe im Internet. Ich suche und finde alles mögliche. Ich interessiere mich. Und folge diesen Interessen.
Meine Definition von Produktivität hat sich geändert. Der Faktor persönliche Freiheit verändert diesen sehr stark und sehr positiv. Mein Betriebsmodus ist von reinem Output umgestellt worden auf 50% Input und 50% Output. Die am Anfang beschriebene Befehlskette geht nun nicht mehr nur von meiner Umwelt aus, sondern mehr und mehr von mir. Aktiv.
Ich lerne persönliche Freiheiten wirklich zu erkennen, umzusetzen und wertzuschätzen. Und das Großartigste daran, alles wird noch besser. Irgendwie bringt die Fähigkeit zur Selbstbestimmtheit nur Positives mit sich. In allen Bereichen des Lebens. Magisch. Es ist wirklich magisch.
Ich lerne meine Freiheit als die wichtigste und wesentliche zu betrachten und plötzlich verändert sich alles, so wie ich es eigentlich immer wollte. Aber nie hin bekommen habe. Ich komme mir selbst immer näher und näher. Ein guter und schöner Weg, den ich da beschreiten darf und kann. Danke.
Freitag, 20. April 2012
Lebenswege. Vom fahren, überholen, bremsen, abbiegen und verfahren.
Irgendwann biegen wir plötzlich ein in diese Straße. Das Auto voller Menschen. Wir am Steuer. Eine neue, andere Straße. Ein neuer Lebensweg. Lebensabschnitt. Einige wollen und müssen hier aussteigen. Weiter geht die Fahrt. Dann ahnen wir, es könnte sich eventuell um eine Einbahnstraße handeln. Aus dem könnte, wird langsam ein wissen. Wir bemerken es natürlich nicht gleich. Denn gerade noch fuhren wir auf einer dieser breiten mehrspurigen Hauptstraßen. Was hat uns bewogen, abzubiegen. War es uns zu voll. Wollten wir eine Abkürzung nehmen? Irgendwas war es. Man hat es nur schnell vergessen. Weil dieser neue Weg einem die volle Aufmerksamkeit abverlangt. Eigentlich war es auf der großen, breiten, hellen Hauptstraße viel angenehmer. Das wird einem aber erst bewusst, wenn man mal auf so eine kleine Nebenstraße abgebogen ist. Aber diese wird doch sicherlich zu einer anderen Hauptstraße führen oder zu derselben, von der man kam. Wir rechnen auch damit, dass es sicher gleich rechts oder links wieder raus geht. Aber da kommen keine Straßen. Komisch. Dann fällt uns auf, dass die Autos rechts wie links in dieselbe Richtung parken. Auch die Beschilderung ist nur in Fahrtrichtung ersichtlich. Wir gewinnen die Gewissheit:«Das ist eine Einbahnstraße.» Okay. Das kann ja mal passieren. Ist ja nicht so schlimm, diese führt am Ende ja wieder auf eine andere Straße. Seit einiger Zeit fahren wir nicht mehr entspannt und gelassen, sondern nervös und gehetzt. Jetzt sind wir schon so weit gefahren, dass wir nicht mehr einfach zurück setzen können. Umdrehen in einer Einbahnstraße geht ja auch nicht. Darum werden wir immer hektischer und hoffen inständig, dass am Ende der Einbahnstraße es wieder auf ein andere Straße geht. Es muss so sein. Eventuell auf eine Kreuzung. Kann auch eine kleine sein. Hauptsache raus aus der Einbahnstraße. Aber die Straße wird zunehmend enger und enger. Dunkler. Und die Häuserfluchten höher. Die Wohngegend wird übler. Beängstigend. Nun parken nur noch auf der rechten Seite Autos. Schon bald, parken gar keine Autos mehr in der Straße. Panik kommt auf, das Herz rast, man spürt den Puls im Hals schlagen.Der Blick nach vorne verheisst nichts Gutes. Gar nichts Gutes. Nach diesem langen Weg. Plötzlich sind auch die Gehwege verschwunden. Die Straße endet hier. Schluss. Es geht nicht vor und zurück. Sie ist genau so breit wie das Auto. Die Türen lassen sich nicht mehr öffnen. Wir hupen. Wir rufen. Nichts. Die Spritanzeige leuchtet auch schon seit einiger Zeit. Kein Handy-Empfang. Nichts.
Und dann versuchen wir uns zu erinnern. Dafür müssen wir uns erst mal beruhigen. Was uns kaum gelingt. Wir waren auf so einem guten Lebensweg. Was um Gottes Willen hat uns bewogen abzubiegen? Gottes Willen? Warum? Wann sind wir in diese Straße abgebogen und warum. Sind wir überhaupt abgebogen, mussten wir? Was waren die Beweggründe? Der Grund. Verdammt was war der Grund. In Gedanken gelangen wir zu genau dieser Kreuzung zurück. Und dann sehen wir, was wir übersehen haben - Das Schild: Sackgasse. Fuck.
Mittwoch, 4. April 2012
Ich schlafe mit jungen Frauen.
Jetzt ist es raus. Jeden Tag. Fast. Nicht am Wochenende. Morgens und Abends. Im Schnitt 2 x am Tag. Dann schlafe ich mit wechselnden jungen Frauen. Selten, dass es 2 x dieselbe ist. Und ich kann nichts dagegen tun. Auch wenn ich wollte. Die einen denken jetzt: «Wie kann er das nur tun in seiner Lebenssituation?» Andere denken sich jetzt: «Recht hat er, du lebst nur einmal! »
Ich kann nur sagen: «Dagegen kann ich nichts machen. Auch wenn ich wollte. Da bin ich machtlos. Ich muss mit jungen Frauen schlafen. Ob ich will oder nicht.» Okay, ich könnte sie wecken. Aber das macht man Morgens und Abends doch nicht im Zug. Einfach aufwecken. Da ziehe ich es vor, mit ihnen zu schlafen. Obwohl ich selbst dabei nicht schlafe. Kein Auge kann ich zumachen. Manchmal schlafe ich auch mit Männern. Mit älteren Frauen. Ich schlafe mit allen, die schlafen. Im Zug schlafen viele Menschen. Kaum sitzen sie, schlafen sie ein.
Oft sieht das unmöglich aus. Vor allem bei Männern. Die röcheln, schnarchen und sehen übel dabei aus. Oft stinken sie auch noch. Schlafende Männer im Zug sind kaum zu ertragen. Schlafende Frauen dabei wesentlich besser. Nicht alle. Aber wenn junge, hübsche Frauen ihren Kopf an das Zugfenster gelegt haben und so vor sich hin schlafen, dann hat das was Friedliches und bisweilen auch Erotisches. Wenn sich das zweite Gefühl einschleicht, dann setze ich mir meine Kopfhörer auf und höre Musik oder lenke mich anderweitig ab.
Das Aufwachen oder die Ticketkontrolle sind bei diesem Akt im Zug besondere Momente. Denn dann erkennt man viel vom dem Typ Mensch. Menschen, die aus dem Schlaf gerissen werden, um ihr Ticket vorzuzeigen, zeigen dabei sehr persönliche Eigenarten. Auch wenn es an das Aussteigen geht. Das Beobachten dieser Persönlichkeitsmerkmale macht einen irgendwie zum Spanner. Was heisst irgendwie. Aber was soll man den tun, wenn jemand nur Zentimeter von einem entfernt aufwacht. Wie soll man da weg schauen. Es nicht bemerken. Das ist fast unmöglich.
Ich schlafe nicht im Zug. Meine Energie ist auf 220 Volt. Morgens, Mittags und Abends. Es verwundert mich, wie viele Menschen sofort in Stand By Stellung verfallen. Wie der wenige Energiehaushalt, sofort auf Niedrigverbrauch-Modus umstellt und diese Menschen in den Schlaf fallen lässt. Was strengt so an, dass man in der ersten Ruhestellung fast ohnmächtig weg schlummert?
Egal, so lange ich Zug fahre, muss ich mich eben daran gewöhnen, mit fremden Menschen zu schlafen. Es gibt schlimmeres. Schlimmer wäre es sicherlich, wenn alle so wach wären, wie ich. Oh mein Gott und das schon morgens, das wäre unerträglich. Moment mal, da kommt mir ein Gedanke. Vielleicht schlafen die ja gar nicht, sondern die stellen sich nur schlafend bei meinem Anblick.
Montag, 2. April 2012
Nicht lange her.
Da hat man noch aus dem Radio auf Kassetten aufgenommen und ist verrückt geworden, wenn der Ansager kurz vor Ende des Songs reingequatscht hat. Dann war die ganze Aufnahme für´n Arsch. Zurück spulen und auf den nächsten Song warten.
Da haben wir auch noch die B-Seite von Schallplatten gehört. Obwohl bei manchen nie. Vor allem bei Singles. Oder weiss jemand was auf der B Seite von „Bobby Brown“ war?
Da haben wir Brieffreundschaften mit einem Mädchen aus Frankreich gehabt. Und so haben wir uns alle 6 bis 8 Wochen einen handschriftlichen Brief geschrieben. Isabelle Labonde hieß meine.
Da hatte das Telefon eine Wählscheibe, war an der Leine und die Eltern machten ein Schloss daran, damit es nicht so teuer wurde. Und daneben lag das obligatorische Kunstleder-Telefonverzeichnis.
Da holte man das Telefonbuch noch selbst bei der Post ab. Und schlug sofort seinen eigenen Namen auf und betrachtete den Eintrag voller Stolz.
Da hatte das Fernsehen 3 Sender. Und keinem viel auf, dass dies wenig sein könnte. Der Höhepunkt der Woche war eine Sendung Namens „Disco“ und alle riefen mit wenn er schrie: „Licht aus...wommm...Spot an...“
Da sprach man Montags über Dalli Dalli, Am Laufenden Band, Der große Preis und wie sie alle hießen.
Da durfte man beim Fußball zum Torwart zurück passen. Da spielten nur die Landesmeister auch im Landesmeister Pokal.
Da wusste kaum jemand, was eine Mango, Papaya, Kiwi und Litschi war. Ich schon gar nicht.
Da stand im Kühlschrank Tri-Trop und Cappy. Man aß Raider und Treets Schokoklicker.
Da gab es im Fernsehen Werbung für Zigaretten. Und es wurde in jeder Sendung geraucht. Und in jedem Film. Und im Auto und im Zug und im Flugzeug und im Restaurant und überall, wo ein Mensch und eine Zigarette reinpassten.
Da waren Ehepaare, die geschieden waren eine absolute Seltenheit. Frauen, die einer Arbeit nachgingen, auch. An Frauen in Führungspositionen kann ich mich gar nicht erinnern.
Da war die einzige nackte weibliche Haut, die man zu sehen bekam in der Brigitte, Petra und für Sie. Wenn man das Glück hatte, dass es um Unterwäsche ging. Schlüpfer wie meine Mutter dazu sagte.
Da machte der erste MC Donald in Deutschland auf und der erste IKEA. Dem Wienerwald ging es schon damals den Umständen entsprechend nicht so gut.
Da hat man sich Bundestagsreden im Fernsehen angesehen, in Schwarz/Weiß. Obwohl der Rest der Welt schon bunt war. Und die Politiker hatten etwas zu sagen und sich gegenseitig auch.
Da gingen alle paar Monate gefühlte Millionen auf die Straße demonstrieren. Gegen alles das, was nun wirklich nicht sein musste.
Da starben Elvis und John Lennon. Und Jim Morrison. Und ein wenig später Freddy Mercury. Nein, das war deutlich später.
Da haben Fussballtrainer am Spielfeldrand geraucht. Spieler in der Halbzeitpause auch.
Da waren unsere Eltern noch so unglaublich jung. Jünger als wir jetzt sind. Da waren wir noch Kinder. So alt wie unsere Kinder jetzt sind. Das aktuelle Sportstudio gab es damals schon. Und die Torwand war schon damals einer der Höhepunkte. Aber alle waren so unglaublich jung. Und die Jungen, die es jetzt gibt, die gab es da noch gar nicht. Natürlich.
Aber manchmal wundere ich mich, wen und was die jungen Menschen alles überhaupt nicht kennen. Wahnsinn denke ich dann, wie kann man das nicht wissen. Bis mir dann einleuchtet - wie denn auch.
Freitag, 30. März 2012
Zerreißprobe
Vater. Vater sein. Meine Gedanken und Gefühle sind fast ständig bei meinen Kindern. Und jede Trennung empfinde ich als Opfer. Neid und Eifersucht kommt in mir auf, wenn sich meine Kinder ohne mich amüsieren. Ständig muss man seine Kinder abgeben und teilen. Mit anderen teilen. Immer weniger verweilen sie in meiner direkten Nähe.
Und dann die Arbeitswelt. Diese vielen Stunden, in denen man ganz woanders ist. Diese viele Zeit, die man nicht gemeinsam erleben kann. Nicht gemeinsam genießen. Nicht mal gemeinsam langweilen, ärgern oder streiten.
Dabei ist das Leben nur ein Wimpernschlag. Kaum ist es da, ist es auch schon wieder vorbei. Und die gemeinsame Zeit mit Menschen, die wir lieben, ist so unglaublich kurz bemessen und noch kostbarer.
Wie machen die das - in den Meetings? Meine Gedanken schweifen so oft ab. Hin zum Lächeln meiner Kinder. Was sie jetzt wohl gerade tun? Die Bilder der letzten Tage noch einmal vergegenwärtigen. Die gemeinsamen Pläne für die nahe Zukunft in Gedanken noch einmal durchgehen.
Meine Gefühle sind wie schwere Ankerleinen mit meinen Kindern verbunden. Jede Trennung bedeutet, Leinen los. Und oft Leinen kappen. Ich bin dann immer heil froh und überglücklich, wieder da zu sein. Zusammen zu sein. Ich drücke das sicher nicht so aus. Denn die würden sicher denken, der Alte hat wohl einen Knall. Wenn meine Kinder wüssten, wie sehr ich mit ihnen verbunden bin. Und wie sehr mich ihre Enttäuschung schmerzt. Wie sehr mich ihre Schmerzen quälen. Wie unerträglich Ungerechtigkeit ist, die sie erleiden müssen. Und wie stolz ich jede Sekunde bin.
Es ist eine Sucht. Eine echte Abhängigkeit. Die Gesundheit, das Glück, die Zufriedenheit meiner Kinder mit zu erleben, ist das Zentrum meines Lebens.
Ich hatte ein anderes Leben ohne Kinder. Sicher werde ich auch wieder ein anderes Leben auch mit Kindern haben. Aber jetzt wundere ich mich über diese vielen Väter, die ständig von ihren Kindern getrennt sind. Wie sie das bloß ertragen? Einige verwirren mich komplett. Das sind die Väter, die mir das Gefühl vermitteln, dass die Kinder Muttersache sind und die die Kinder bisweilen mehr belasten und anstrengen. Aus diesem Grund kommen sie lieber erst nach Hause, wenn die Kinder schon schlafen. Unglaublich. Wie kann man so unterschiedlich empfinden.
Mich zerreißt es. Jeden Tag. Jeden Augenblick. Die Ängste, es könnte was passieren und ich habe sie nicht beschützt. Die Freude, es könnte was passieren und ich habe es nicht miterlebt. Sie nicht trösten zu können und ihnen nicht Anerkennung zu Teil werden lassen.
Ich will eigentlich jeden Moment mit meinen Kindern auskosten. Aber das weltliche Leben hält mich davon ab. So ziehe ich jeden Tag los - weg. Und meine Kinder machen das auch schon. Und wie Kometen in der Umlaufbahn zu einem Planten, die sich langsam und langsam weiter und weiter entfernen. Sie kreisen zwar für immer um den Planeten, aber die Entfernung wird größer und größer.
Da hilft auch die größte Anziehungskraft nichts. Das ist ein Naturgesetz. Kinder bleiben keine Kinder. Mein Gott macht mich das traurig. Vor allem, dass es bald schon vorbei ist und ich nicht jeden Moment habe voll genießen können.
Wie halten das nur die Anderen aus. Quält die das genau so wie mich? Ich kann nichts erkennen. Verdammt ich kann nichts erkennen. Und da sitzen wir in unserer wichtigen Welt mit unseren wichtigen Themen umgeben von wichtigen Menschen und alles was mir wirklich durch den Kopf geht und nahe ist, sind die Star-Wars Sammelkarten meines Sohnes und die Schleich-Pferde-Sammlung meiner Tochter.
Wenn sich jetzt jemand fragt, wo ist die Frau bei diesen Gedanken. Keine Sorge, die ist da. Auch sehr nah. Aber das sind die Gedanken, fokussiert durch die Vater-Augen gesehen.
Freitag, 23. März 2012
Über Entschlossenheit und Gleichgültigkeit.
Ich bin in Köln Chorweiler zur Schule gegangen. Das sagt nur dem geneigten Kölner etwas. Nennen wir es mal einen sozialen Brennbezirk. Einen, wie es ihn in Deutschland in der Form zum Glück nur selten gibt. Der Ausländeranteil der Einwohner liegt sicher über 70 %, der in der Schule lag über 50%. Die Architektur untermauert die sozialen Spannungen. Niemand besucht Chorweiler, um sich das mal anzusehen. Man fährt nur weg, nicht hin. Wenn man kann.
In Chorweiler ist eine große Gesamtschule mit weit über 2.000 Schülern. Es gab 12 fünfte Klassen, 12 sechste Klassen und so geht es bis zur 10. Dann nimmt die Anzahl der Klassen rapide ab.
Das erzähle ich, um auf etwas hin zuweisen. Auf den Blick der Entschlossenheit. Den habe ich da kennen gelernt. Viele Menschen sind entschlossen, Dinge zu tun. Diese Art der Entschlossenheit habe ich heute Morgen zufällig wieder in den Augen von Menschen am Münchner Bahnhof gesehen. Es waren durchweg die Augen von Ausländern. In diesen erkenne ich diesen Blick. Die Einstellung zur Entschlossenheit. Es ist ein ganz besonderer Ausdruck. Der kann einem Angst machen, wenn er gegen einen selbst gerichtet ist. Hat man diesen Blick aber auf seiner Seite, dann ist das wie mächtiger Rückenwind. Ein unglaubliches Gefühl, Menschen an seiner Seite zu haben mit dieser Art von Entschlossenheit.
Bei den meisten Menschen sehe ich diesen Ausdruck nicht. Vor allem bei meinen deutschen Mitbürgern. Der Blick ist meist ausweichend, arrogant, nervös, gleichgültig und leer. Selten sehe ich in Augen, die auf mich entschlossen wirken und wenn, dann sind es meist Kinderaugen. Die haben diese Fähigkeit noch, die offensichtlich im Laufe der Zeit verloren geht.
Ich mag diese Entschlossenheit. Die hat was Anpackendes und Zupackendes. Die hilft einem wirklich. Die macht was. Die bewegt was. Die ist nicht egoistisch, träge und faul. Aber sie geht auch schon mal über Grenzen. Es ist dieselbe Entschlossenheit mit der auch Gewalt ausgeübt wird.
Eine Entschlossenheit, die über die Angst hinweg hilft. Welche die Angst überdeckt, überlagert oder gar nicht erst aufkommen lässt. Welche Schmerzen, Hindernisse oder Gefahren übersieht. Einfach bei Seite schiebt.
Trotzdem ist mir diese Entschlossenheit näher und lieber als diese Gleichgültigkeit. Man muss sie nur besser kanalisieren. In gute Bahnen führen. Positiv einsetzen und nutzen.
Dann ist Entschlossenheit eine absolut wünschenswerte Charaktereigenschaft für mich. Aber ich sehe sie nicht oft. Diese funkeln in den Augen. Dieser Blick. Die ganze Physionomie, die es ausdrückt: Ich mach das. Ich kann das. Ich will das. Wunderbar.
Es scheint eine Eigenschaft zu sein, die vor allem da vor kommt, wo die Geigen nicht im Himmel hängen und es nicht Milch und Honig regnet. Auf der Sonnenseite des Lebens trifft man nur vereinzelt auf diese Art der Entschlossenheit. Es scheint die Bereitschaft zum Ausdruck zu bringen, zum Äußersten zu gehen. Und manchmal darüber hinaus.
In München sehe ich diesen Ausdruck sehr selten, darum ist es mir heute Morgen so sehr aufgefallen - positiv.
Montag, 19. März 2012
Über Weichteile.
Meine Wahrnehmung ist vielleicht vergleichbar mit der eines Elektronenmikroskops. Ich nehme Dinge in tausendfacher Vergrößerung wahr. Das nenne ich selektive Wahrnehmung. Wie ein Koch eine Mahlzeit nicht mehr als Ganzes wahrnehmen kann. Wie der Musiker kein Konzert mehr als Ganzes wahrnehmen kann. So geht es mir mit vielen Dingen rund um Kommunikation, Marketing, Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft. Ich habe über die Jahre so viele Eindrücke sammeln können, dass ich vieles in unendlich kleine Details zerlegen und wieder zusammensetzen kann. Das lässt sich nicht verhindern, wenn man sich sehr aufmerksam und über lange Zeiträume hinweg mit denselben Dingen beschäftigt.
Das ist auf der einen Seite eine große Freude, weil ich vieles sehe, was andere nicht wahrnehmen können. Aber es ist auch ein ebenso großer Fluch. Denn ich kann den Betriebsmodus nicht abschalten. Ich betrachte alles in diesem Modus, und das nervt. Häufiger mein Umfeld, aber hin und wieder auch mich. Gerne würde ich die Schwächen, Stärken, Chancen und Risiken nicht sehen, sondern einfach nur das was ist und so wie es ist. Einfach. Ich wünsche mir manchmal gedankliche Einfachheit. Leere. Ruhe. Stille. Aber es geht nicht. Alles seziere, zerlege, atomisiere ich. Tiefer und tiefer. In Gedanken kann man immer tiefer in immer neuere Welten vorstoßen. Der Plot zu Raumschiff Enterprise, ist zu einem nicht geringen Teil mein gedanklicher Lebensentwurf. Nur dass meine letzte Folge noch nicht im Kasten ist.
Bei Bleistiften schreibe ich beispielsweise total gerne mit weichen Bleistiften. 4B oder besser sogar noch 6B. Das hat den Nachteil, dass die Stifte schnell verschwinden. Denn ein 6B schreibt sich schnell ab. Wesentlich schneller als ein HB. Der Vorteil überwiegt aber bei weitem. Man schreibt, als ob man mich Kohle zeichnet. Es fließt. Die Übergänge sind weich und geschmeidig. Mit einem 6B kommen die Wörter und Gedanken schöner zur Geltung. Da grenzt das Schreiben an das Malen.
Mit einem 6B kann man keine schlechten, üblen und hinterhältigen Wörter und Formulierungen schreiben. Was der OMM Writer als App für den Computer ist, ist der 6B Bleistift für das geschrieben Wort auf Papier. Ein 6B ist ein wahres Instrument, ein Schreibinstrument. Es ist das Cello. Wenn die Feder die Geige ist, dann ist der 6B Bleistift das Cello.
Wenn man schöne Wörter und Formulierungen mit einem 6B schreibt, dann ist die Vorfreude auf das Wort schon wunderbar. Und es wirkt noch schöner, als es ohnehin schon ist. Mit einem 6B wirkt fast alles Geschriebene und Skizzierte wunderbar. Weil das so ist, nehme ich oft einen 6B zur Hand. Ich habe in der Regel überall einen rumliegen und halte noch mehr in Reserve. Und das schreibt ein Nerd. Ein Internet-Entwickler, Gestalter, Konzeptioner und Macher.
Die Krönung aber ist ein Minenstift mit einer 6B Miene und einem Minenspitzer. Es ist immer noch ein Cello, aber ein besonderes - eins von Antonio Stradivari. Es ist ein Ritual, die Mine vor dem Einsatz zu spitzen. Sie muss so Spitz wie möglich sein. So spitz, dass bei der ersten leichten Berührung mit dem Blatt die Sitze ein wenig zerbröselt. Winzig. Kaum erkennbar. Nur für Menschen wie mich. Die spüren und sehen das und pusten dann leicht über das Papier.
Für den normalen Menschen und das normale Auge ist dieser Moment nicht erfahrbar. Aber für mich ist er das, und es ist einer der schönsten.
Er ist wie die Ouvertüre, es ist als ob man die Klinge des Rhetorikschwertes vor seinem Einsatz noch mal geschliffen hat. Geschliffen wie eine Rasierklinge. Geschliffen wie die sündhaft teuren und 200-fach gefalteten japanischen handgeschmiedeten Messer der Sushi-Köche. So scharf wie das Skalpell eines Chirurgen. Das geht nur mit einem solchen besonderen Schreibinstrument. Sonst mit nichts.
Die Tastatur eines MACs ist auf einem guten Weg, eine solche Verbindung abzubilden. Aber sie hat auf dem Weg einer 6B Mine gerade mal 20 Prozent des Weges geschafft. Was aber 100 Prozent mehr ist, als alles andere, was es da gibt.
Solange das noch so ist, werde ich wirklich wichtigen Dinge erst mal mit einem 6B zu Papier bringen. Gelernt habe ich das von meinem Texter-Lehrmeister. Jörg Grannemann. Er hat mir diese Kunst des 6B Stiftes zugänglich gemacht. Wie ein japanische, geheime Kampfkunst. Für das und vieles andere mehr bin ich ihm noch heute nach über 20 Jahren dankbar. Denn er war es, der mir die Türen und die Fenster zu dieser Welt geöffnet hat. Zeit mal Danke zu sagen. Danke Jörg. Und das Danke stell dir jetzt bitte geschrieben mit einem 6B auf einem feinen Fedrogonie Papier vor.
Das ist meine Art der Wahrnehmung. Und ich habe vieles noch weggelassen, damit es nicht zu langatmig wird. So habe ich die Farbe des Schreibgerätes außen vor gelassen, wie den Spitzer, die Papierbeschaffenheit, das Schreibgeräusch, den adäquaten wohlriechenden Radiergummi und anderes mehr.
Donnerstag, 12. Januar 2012
notework. 48 Merkmale die wir Ihnen nicht verheimlichen wollen.
Dienstag, 27. Dezember 2011
Das Jahr 2011. 2012 kann kommen. Komm doch. Ich bin bereit. Komm!
2011. Höhen und Tiefen. Weiten und Nähe. Hitze und Kälte. Verlust und Gewinn. Abschied und Ankunft. Laufen und Schlafen. Trennung und Verbindung. Freude und Trauer. Begleiten und Verweilen. Lassen und Anfangen. Bewegung und Stillstand. Begrüßen und Verabschieden. Alleine und Gemeinsam. Lust und Angst. Außer Atem und Atemlos. Liebe und Wut. Verstehen und Unverständnis. Verzweiflung und Zuversicht. Reden und Schweigen. Stille.
Ein Jahr ist aus der großen Entfernung betrachtet, dann doch wie alle Jahre. Eine Zahl. Aus der Nähe betrachtet sieht dass ganz anders aus. Jedes Jahr hat dann eine eigene unverwechselbare Farbe. Dieses Jahr hat eine eher dunklere Farbe: Ein Dunkelgrün. Jedes Jahr hat eine eigene Musik. Dieses klang eher nach Johann Sebastian Bach. Jedes Jahr ist wie ein Roman, dieser ist sicherlich ein Drama. Jedes Jahr hat einen eigenen Geschmack, dieses war bitter und nur manchmal süß. Jedes Jahr ist wie eine Pflanze, dieses war wie Efeu. Jedes Jahr ist eigentlich gleich. Ein Kommen und Gehen. Aber bei genauem Hinsehen völlig anders. Es ist wie mit Schneeflocken. Sie sehen alle gleich aus, dabei gleicht keine der anderen. Diese Schneeflocke mit der Bezeichnung 2012 ist nun vom Himmel gefallen. Und die mit der Bezeichnung 2011 macht sich auf die Reise.
Die Erinnerungen an ein Jahr sind die Spitzen der Emotionen. Im Negativen wie im Positiven. Es scheint, dass wir aus jedem Jahr nur eine gewisse Anzahl von sehr positiven und sehr negativen Erinnerungen in unseren Erinnerungen mitnehmen dürfen. Aus gutem Grund. Sind es zu viele negative, dann fällt das rückblickend nicht mehr so ins Gewicht. Und zu viele positive, gibt es das denn?
Es scheint so, als ob in das Buch der Erinnerungen an ein Jahr nur die Geschehnisse kommen, die mit einer gewissen, großen Portion Emotion verbunden sind. Weil diese immer seltener werden bleiben viele Seiten leider leer und weiss. Was war 2008? Was war 2004? Wann erleben wir noch unglaubliche Höhen und Glücksmomente? Von der enormen Höhe, dass diese für immer im Buch unserer Erinnerungen einen Platz haben? Als Kind gab es reichlich davon. Im Laufe der Jahre, werden diese Erlebnisse immer weniger. Und weichen den Ängsten, Befürchtungen und dem Schicksal. Für die negativen müssen wir nicht groß sorgen, die kommen von allein und nehmen sich ihren Platz ohne zu fragen. Mit zunehmendem Alter scheinen es mehr und mehr zu werden. Und jedes Jahr beginnen wir mit der Hoffnung und Zuversicht - dieses wird ein überglückliches. Wie mit dem kommenden. 2012 hat mal wieder die Chance ein unglaublich schönes zu werden. Denn es beginnt bei eins, dem 1 Januar.
2012. Meine Vorfreude auf das neue Jahr war selten so gewaltig. Meine Wünsche, meine naive, ungetrübte Hoffnung ist nur eine, dass im Jahr 2012 die weissen Seiten der Erinnerung mit unglaublich positiven Erinnerungen bemalt werden. Das wäre wunderbar. Was sage ich, das wird wunderbar.
Freitag, 2. Dezember 2011
Was ist wenn?
Es gibt zwei grundlegende Theorien in meinem Kopf über das, was in der Welt vorgeht. Beide kann ich mir mit viel Phantasie, Argumenten und Tatsachen plausibel erklären und Daten, Fakten und Informationen so ein- und zuordnen, dass mir die plausibel erscheinen. Die eine Theorie basiert auf der Tatsache der «Dummheit der Menschen». Alles was passiert, passiert deshalb, weil die Menschen dumm, taub, gierig, egoistisch, naiv, blind, neidisch, ignorant und hinterlistig sind. Das heißt, wir können nur zusehen, was die Zeit so bringt und uns jeder für sich im Lauf der Dinge so verhalten, wie wir es für richtig halten.
Die andere Theorie basiert auf der gegenteiligen Behauptung. Alles was passiert, soll den Anschein von Zufälligkeit, Überraschung, Unberechenbarkeit und Willkür vermitteln. In Wirklichkeit ist es aber das Ergebnis von Überlegungen, Nachdenken, Ausdenken, Überdenken, Weiterdenken. Der ersten Theorie kann man nichts entgegensetzen außer der persönlichen Fassungslosigkeit. Da kann man wie ein Stück Treibholz im Sog des Stromes der Dummheit nur hoffen, dass man nicht an das falsche Ufer gespült wird oder untergeht. Dass man es irgendwie schafft, doch oben zu bleiben. Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen. Da hilft es nur wachsam zu bleiben, offen, flexibel und den Mut nicht zu verlieren.
Ziehe ich aber die zweite Theorie heran, dann wird es komplexer. Bin ich davon überzeugt, dass die schlauesten Menschen zusammenkommen, diejenigen mit den stärksten Interessen, die größten Lobbyisten. Diejenigen, welche die größte Macht in sich vereinen. Wissenschaftler, Nobelpreisträger, Gelehrte und all diejenigen, welche die Geschicke von Gesellschaften und Volkswirtschaften bis hin zu Nationen lenken. Dann ist die Frage, mit welcher Zielsetzung werden hier die Entscheidungen getroffen. Entscheidungen, die dem normalen Menschen so vorkommen, wie das Denken und Handeln aus Theorie 1. Aber diese Anmutung ist Teil des Plans.
Eine Überlegung in meinem Kopf ist sehr einfach, und die lautet: Das größte Problem auf dem Planeten für den Menschen, ist der Mensch selbst. Und die einfachste Lösung ist, dass es weniger Menschen gibt. Damit löst man alle Probleme auf einen Schlag. Es gibt zur Zeit 7.000.000.000 Menschen auf diesem Planeten. Mit den uns bekannten Problemen in Hinblick auf die Ernährung, Bildung, Sicherheit, Freiheit, Gesundheit, den Wohlstand, Kriege, die Versorgung, Umverteilung, Gerechtigkeit, fehlende Perspektiven, Chancen, Krankheiten ... Und diese Probleme wachsen exponentiell mit der Bevölkerungsentwicklung an. Die Energieversorgung stellt ein unlösbares Problem dar, wenn wir ständig mehr Energie benötigen und verbrauchen. Die Ernährung einer Weltbevölkerung, die immer weiter anwächst, ist ebenso unlösbar. Die medizinische Versorgung, der Zugang zur Bildung. Alles, was wir da erkennen, wächst mit dem weiteren Wachstum der Bevölkerung exponentiell an und nimmt immer hässlichere Ausformungen an.
Das ist wie eine Grillparty, zu der man 50 Leute eingeladen hat, und schlussendlich kommen 500, die dann zu 5.000 werden, ohne dass der Strom neuer Gäste abreißt. Wie soll man da für die Parameter sorgen, die für eine Grillparty von 50 Leuten galt. Das Steak auf dem Grill geteilt durch 5.000, ein Bier für 5.000? Und so weiter. Getrieben vom Idealismus und vom sichtbaren Überfluss, in dem wir leben, könnte man jetzt meinen, die Probleme gehen ausschließlich auf die fehlerhafte Umverteilung zurück. Bis zur Zahl von 70 bis 100 Gästen war das eventuell auch so, aber bei 5.000 ? Was machen wohl die 50 geladenen Gäste? Wie verhalten sich die 4.550? Wer bekommt was ab? Und wie geht es weiter, denn es werden ja immer mehr - jetzt sind es schon 12.000 Menschen auf der Grillparty! Die Erde ist eine große Facebook-Party, auf die keiner vorbereitet war und ist und auch in Zukunft nicht sein wird. So kommt das Verhältnis von 1:99 zustande. 1% besitzen alles, 99% nichts. Und die 99% sind total abhängig von dem einen Prozent. Nur ist es eben so, dass das eine Prozent ganz andere Ziele verfolgt als zu teilen. Die wollen nämlich überleben.
Deshalb scheint eine moralische Wende zur Umverteilung, zur Gleichheit, zur optimalen Versorgung eine Strategie hin zum Exodus der Menschheit zu sein. Denn wenn es immer mehr Menschen immer besser geht, bei immer besserer Versorgung und Gesundheit, dann vermehrt sich diese Gesellschaft noch schneller und immer weiter. Das eigentliche Problem wird weiter beschleunigt. Was meinem zentralen Bestreben nach Gerechtigkeit einen Riegel vorschiebt. Den berühmten Strich durch die Rechnung macht. Denn meine favorisierte Lebenstheorie nach Erhalt, Entwicklung, Verbreitung und Ausbau von Lebensqualität für alle und alles, ist eine Beschleunigungstheorie für den Exodus der Menschheit. Der Planet kann unmöglich auf einem lebenswerten Niveau 20 Mrd. Menschen beherbergen. Nicht einmal 15. Mrd. Und eventuell auch keine 10. Mrd. Aber diesen Zahlen nähern wir uns immer schneller, wenn die da oben nichts dagegen unternehmen.
Deshalb könnte es doch sein, dass die da oben ein Ziel verfolgen, was so aussieht. Erstens: Das Weltbevölkerungswachstum stoppen. Wenn das erreicht ist, die Weltbevölkerungszahl schrumpfen lassen. Und das in der Reihenfolge 1. Welt, 2. Welt und dann die 3.Welt. Da man Menschen schlecht zur Erreichung dieser Ziele in Massen töten kann. Also nicht unter Einsatz von Mitteln, die wir aus der Geschichte kennen, sondern es müssen neue Wege gefunden werden, die dazu wirksam beitragen. In der westlichen Welt dürfte eine neuen Form von Selbsttötung am besten funktionieren.
Denn man stelle sich mal eine Erde mit nur 1.5 Mrd. Menschen vor. Das sind 5.5 Mrd. Menschen weniger. Was das für die Lebensqualität, für den Fortbestand bedeuten würde. Und für alle anderen Aspekte wie Frieden, Ernährung, Energie, Bildung und Wohlstand. Es gibt kein Problem, das nicht gelöst wäre, wenn wir anstelle von 7 Mrd. Menschen nur noch 1.5 Mrd. Menschen wären.
Jetzt müssen die da oben eine Selektion vornehmen. Welche Menschen sollen sterben? Welche Menschen dürfen sich nicht reproduzieren? Die Verantwortung dafür wird wohl niemand übernehmen wollen. Wenn das rauskäme, dass Menschen über Menschen entschieden hätten, würde es ganz übel rausgehen. Die Chinesen sind in diesen Dingen pragmatischer, weil diktatorisch organisiert. Die erlassen einfach mal eine Ein-Kind-Strategie. Und setzen diese mit ihrer konsequenten Haltung um. Im Rest der Welt undenkbar. Aber das funktioniert in China. In Afrika macht man es da schon anders, da kommt man einfach immer zu spät. Wenn man das zum Prinzip macht, dann kann man das moralisch noch vertreten. Wir wollten ja helfen, kamen aber zu spät. Sollte Hilfe mal rechtzeitig ankommen, greifen andere Mechanismen, um die Fortpflanzung zu stoppen und das Sterben nicht zu verhindern.
Da kommt Darwin wieder ins Spiel. Der am besten Angepasste überlebt. Also muss man nur die Anpassung erschweren bis unmöglich machen. Oder nur wenigen Menschen überhaupt ermöglichen, sich anpassen zu können. Den Anpassungsvorgang unverständlich gestalten. Dann greift die Theorie von Darwin. Und diejenigen, die sich nicht an die veränderten Umstände anpassen können, werden nicht überleben. Niemand hat Schuld. Jeder ist seines Glückes Schmied. Jeder trägt die Verantwortung für sein Denken und Handeln selbst. An welchen Orten, zu welchen Zeiten und in welcher Form sollen Menschen nun nicht mehr überleben können? Jetzt wird es gruselig aber eventuell klarer. Forciert man in der ersten Welt die Ängste der Menschen, dann wirken sich diese Ängste auf die Geburtenrate aus. Menschen mit existenziellen Ängsten haben Angst vor der Fortpflanzung. Also muss Angst verbreitet werden. Viel Angst, ständige und starke Angst. Angst aus allen Richtungen. Zu allen Zeiten, an allen Orten.
Das geschieht schon in sehr weitreichender Form. Außer bei den Amerikanern, die sich ungebremst immer weiter reproduzieren. Verringern sich die Geburtenraten in der 1. Welt zum Teil deutlich, machen dabei wieder einmal die Amerikaner nicht mit. Was die harten Krisen der amerikanischen Vergangenheit erklären würde. Was bei uns längst funktioniert, hat da nicht ausgereicht, deshalb müssen ein paar größere Katastrophen her, welche die Existenz stärker bedrohen.
Aber all das reicht natürlich nicht aus, um vom hohen Tempo des heutigen Bevölkerungswachstums runter zu kommen. Deshalb kommen bestimmte Lebensumstände und die Veränderung dieser, dieser Theorie entgegen. Die Krankheitsmuster, an denen Menschen sterben zum Beispiel. Die meisten Menschen auf der Welt sterben an Herzversagen. Herzversagen wird vor allem durch bestimmte Lebensumstände begünstigt und beschleunigt. Wie überhaupt die ersten 6 bis 8 Todesursachen für Menschen offensichtlich immer stärker begünstigt werden um diese zu beschleunigen. Aber Schuld an einem Herzinfarkt zu sterben, ist der Mensch letztendlich selbst. Denn er entscheidet über seinen Lebenswandel. Fehlt ihm aber die Bildung, fehlen ihm die Informationen. Fehlen ihm die Mittel, fehlt ihm der Anreiz. Dann stirbt er aus eigenen Stücken. Das bedeutet die Politik erreicht die Ziele und keiner ist Schuld daran. Perfekt. Es werden weniger und weniger Menschen. Und es sterben diejenigen die sich nicht anpassen konnten, wollten sollten und dürfen. Aber keiner merkt, dass es die fehlende Bildung ist. Die schlechte Ernährung. Keine Bewegung. Der Stress. Und die vielen anderen Fallen, in die man tappen kann und somit selbst verschuldet sein Leben verkürzt, eine Beziehung unmöglich macht und Kinder erst recht. Das ist kollektiver selbst verschuldeter Suizid. Und der klassische Suizid ist auch unter den Top 10 in der ersten Welt.
Das heißt, wenn man das Problem in den Griff bekommen will, dann muss man Bildung so wenig Menschen wie möglich zukommen lassen. Damit die nicht dahinter kommen, was das Leben verkürzt und was die Ängste schürt, sich besser nicht fortzupflanzen. Und man muss die Mittel, die das Leben verlängern, verkürzen und begrenzen. Und alles, was das Leben verkürzt, fördern. Den Stress erhöhen. Vor allem den negativen. Das Tempo dramatisch erhöhen. Die Existenzängste erhöhen. Die Befürchtungen schüren. Neue Ängste schaffen. Die Nahrungsmittelkette der Verkürzung von Lebensdauer zuträglich machen. Auch die mögliche Fortpflanzung durch Nahrung behindern und verhindern. Man muss schon alle Tasten dieses Klaviers spielen, um ans Ziel zu kommen.
Die Lösung aller irdischen Probleme, durch das Reduzieren des Problems Nummer 1 - den Menschen. Wahnsinn. Aber was ist die Alternative? Gibt es Konzepte für diesen Planeten dafür, wenn 1 Million zum Grillfest kommen? Das Zynische an dieser These ist die Selektion. Wer soll und wird überleben und hat das Privileg erhalten sich fortzupflanzen? Hier kann ich mich einer faschistoiden Färbung der Situation nicht ganz erwehren. Aber vielleicht bin ich da nur vorbelastet. Und sehe Kreuze an Stellen wo keine sind. Aber wer weiß? Eventuell ist da doch hier und da ein kleiner Haken?
Die Suchtpotentiale der Menschen erhöhen und diese auch bedienen und versorgen. Man muss alles tun, auf allen Ebenen an allen Orten damit Menschen schneller und früher sterben und sich weniger fortpflanzen. Denn damit löst man alle Probleme nicht nur der Menschheit, sondern auch die Probleme, die der Planet mit der Menschheit hat. Ob die Abholzung, das Leerfischen der Meere, das Vernichten von Lebensraum für Tiere und Pflanzen, dass Vergiften der Luft, das Ozonloch. Es gibt nichts, was nicht verschwindet, bis hin zur Eurokrise, wenn wir weniger Menschen werden auf dem Planten Erde.
Und wenn das theoretisch das zentrale Ziel derer ist, welche die Geschicke lenken, dann stellt sich eigentlich nur noch die Frage nach der Selektion. Wer soll, will und darf überleben? Und wer soll, will und darf sich fortpflanzen, um den Bestand zu schützen? Ich denke hier geht es um eine Gleichverteilung. Vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Willkür. Niemand beabsichtigt ohne Not Menschen in Not wirklich zu helfen. Sondern man nutzt diese Entwicklungen, um dem eigentlichen Ziel in großen Schritten näher und näher zu kommen. Siehe AIDS in Afrika. Tuberkulose, Malaria und andere Infektionskrankheiten. Niemand beabsichtigt ernsthaft diese Krankheiten zu bekämpfen. Das wäre aus Sicht der Zielvorgabe auch dumm. Man macht zu allen diesen Themen nie mehr als unbedingt nötig. Damit regeln sich die Dinge sozusagen von selbst. Mittel gegen Infektionskrankheiten wären so dumm, wie Mittel gegen Herzinfarkt, Krebs, Leberzirrhose, Lungenentzündungen und so weiter. Was in der Dritten Welt die Zielvorgabe auf Kurs hält sind diese Krankheiten, wie in der ersten Welt die Herz- Kreislauf Krankheiten.
In der ersten Welt muss deshalb nur kontinuierlich der Druck, das Tempo und die Angst erhöht werden. Und in der Dritten Welt muss man nur die Behandlung vorenthalten.
Wenn man meine Theorie aus der Metaebene eines Planten Erde betrachtet, kann diese genauso falsch wie richtig sein. Aber die Frage, die sich stellt, lautet trotzdem: Sind die so dumm das alles nicht zu sehen? Oder sind die so schlau, dass nichts zufällig ist, was passiert? Wer sich diese Frage beantwortet, muss genau am Punkt der Antwort weiter denken. Dann kommt man auf solche Gedanken, wie sie mir durch den Kopf gehen. Aber ich kann mich auch irren. Hoffentlich irre ich.
Aber wenn nicht, dann tauchen tausende Fragen in meinen Gedanken auf. Wenn es um das Wohlbefinden geht, wenn es um die Lebensqualität geht, wenn es um den Fortbestand geht. Warum wird alles gefördert, unternommen und unterlassen, um genau das Gegenteil zu erzielen, von dem, was man eigentlich wirklich will? Dumm oder schlau - das ist die Frage.
Mittwoch, 9. November 2011
Womit beschäftigen wir uns eigentlich? In Gedanken, tagaus, tagein.
Wenn Sie sich mal die tagesaktuellen Meldungen anschauen, die aus Twitter oder den Nachrichtenportalen, dann tun Sie das bitte mit halb geöffneten Augen und einer unverstellten Grundhaltung. Sie fliegen also nur mal so drüber über die Texte und all das andere, das es bis in ihr Bewusstsein vordringt. Und dann nehmen Sie bitte auch noch all das Grelle und Lärmende der Neuigkeiten wahr. Nun sollte sich ein Erstaunen darüber breitmachen, mit was man sich in diesem Land tagaus, tagein so beschäftigt. Oder eben nicht beschäftigt.
Wenn ich diese Themen mal vor mir ausbreite, dann fällt mir auf, dass kaum eines darunter ist, das sich mit den Primärbedürfnissen der Menschen befasst. Stattdessen drehen sich die Themen ausnahmslos um solche Ereignisse, Nebenwirkungen und Auswüchse die sich im Kontext der Befriedigung von Sekundärbedürfnissen ereignen.
Performance ist so ein Begriff. Vieles dreht sich um die Performance. Also um das, wie es zu sein scheint, und nicht darum, wie es wahrhaftig ist. Das alles gaukelt uns vor, es ginge uns mindestens gut, wahrscheinlich sogar sehr gut. Denn wir müssen uns nicht mit der Befriedigung von Primärbedürfnissen befassen. Es gibt keinen Hunger. Keine Krankheit. Keine Probleme mit der persönlichen Freiheit, der Unabhängigkeit, dem Wohlstand, mit Sicherheit, Gesundheit, Bildung, Liebe, Glück, Zufriedenheit und all dem anderen.
Wir sind in der priviligierten Lage, uns nur mit solchen Dingen beschäftigen zu müssen, die mehr oder minder hausgemachte Probleme abbilden. Wenn Menschen aus anderen Ländern zu uns rüberschauen, könnten unsere Wehwechen und das damit einhergehende Leiden bei ihnen Fassungslosigkeit auslösen. Und wenn man selbst einen Moment darüber nachdenkt, was einen gerade beschäftigt, dann muss man gut aufpassen, diesen Banalitäten nicht zu viel Raum in seinem Kopf zu überlassen. Um sich selber noch ernst nehmen zu können. Mein Mitleid, Beileid, mein Verständnis, aber auch meine Freude, meine Zustimmung und meine positive Anteilnahme dessen, was die Öffentlichkeit so beschäftig, ist äußerst begrenzt. Sehr begrenzt. Und oftmals auch kaum vorhanden.
So beschäftige ich mich doch lieber mit ganz anderen Dingen. Damit, Glühbirnen auszuwechseln. Die Küche aufzuräumen. Mit Schreiben, Grübeln, Reflektieren, Sinnieren, Überdenken. Zwischendrin mit dem Ausräumen der Spülmaschine. Es gibt so viel Sinnvolleres zu tun und zu denken, als das, was einem auf allen Kanälen so dargeboten wird. Zum Glück, denn das ist unglaublich und wunderbar erfüllend.
Donnerstag, 27. Oktober 2011
Die Eskalationswelle, die alles mit sich reißt.
Manchmal geraten die Dinge außer Kontrolle. Sie eskalieren. Und zwar so sehr, dass die Belastung und der Kontollverlust kaum auszuhalten ist. Plötzlich stellt sich alles anders da, macht sich Verwirrung breit. Die Dinge entgleitem einen. Alles erscheint verdreht. Egal was man macht oder sagt, es wird alles nur noch schlimmer. Die Eskalation verselbstständigt sich. Man scheint keinen Einfluss mehr auf den Lauf der Dinge ausüben zu können.
Es ist wie bei einer Massenpanik, einer, die in Kleinstform in uns selber abläuft. Im Falle einer Massenpanik ist es wenig zielführend, die Situation ausdiskutieren zu wollen. An die Vernunft zu applieren. Einhalt gebieten zu wollen. Sich um die Objektivierung der Lage zu bemühen. Wo Panik herrscht, da ist alles zu spät.
Niemanden zieht es freiwillig in die Eskalation – die aber auch niemand zu verhindern weiß. Ein Wort ergibt das andere. Und jeder vermag die Dinge nur noch aus seiner, im Eifer des Gefechtes: verengten Perspektive betrachten. Diese wird mit zunehmender Eskalation immer kleiner und kleiner. Und dann wirkt jedes weitere Wort so, als würde Öl ins Feuer der Eskalation gegossen.
Warum gibt es da keinen Notstop? Keine Fluchttüre? Warum sind solche Ketten-Überreaktionen nicht aufzuhalten? Warum führen sie oft bis zum Äußersten? Jedwede Sachlichkeit, das schwächste Glimmen eines Bemühen um Objektivität und Verständigung bis hin zum Denken in vernünftigen Mustern, all das ist gänzlich erloschen. Obwohl jeder von seiner eigenen Position felsenfest überzeugt ist, dass er völlig im Recht sei und (als einziger!) bei klarem Verstand. Es sind ja doch die Anderen, denen Ungerechtigkeit und mangelnde Fairness zueigen sind. Die Sicht auf den eigenen Beitrag zum Ganzen, die bleibt in der Regel versperrt. Dem Gegenüber leider auch.
Da der Respekt im Umgang miteinander innerhalb einer Partnerschaft sehr wertvoll ist, wird an dieser Stelle viel davon wie kostbares Porzellan zerschlagen. Warum das? Das mag daran liegen, dass Abhängigkeiten bestehen, Befürchtungen Ängste stimulieren, die eine so lückenhafte Interpretation überhaupt zulassen.
Das ist wie mit der Eifersucht, die meist grundlos das Vertrauen erst erschüttert und später zerstört. Obwohl eigentlich gar nichts passiert ist. Und wenn die Eifersucht eskaliert, dann zerstört sie auch den gegenseitigen Respekt. Was eine Partnerschaft schwer zu belasten vermag. Und für was das alles? Für nichts. Eskalation zerstört sinnlos. Stiftet Ausweglosigkeit.
Und das nur, weil an einem Punkt die Kommunikation Fehler aufwies und die Verständigung behinderte. Das Vorliegen kommunikativer Mängel wird von den Betroffenen nicht bemerkt, so dass auf Grundlagen der emotionalen Dynamik der Konflikt an Fahrt aufnimmt, brutal beschleunigt, und dann schnell ins schleudern gerät. Und schon ist sie da, die Eskalation.
Wie hilfreich wäre es, gäbe es Warnhinweise! Ein Messgerät, dass die Überhitzung der Situation bemerkt und eine Lampe blinken, ein Horn unüberhörbar tönen lässt. Am besten beides zugleich.
Aber dem ist nicht so. Wir können zwar erkennen, dass die Öl-Temperatur im Auto bedrohlich steigt. Und wir erkennen ebenso, dass wir einer technischem Eskalation Einhalt gewähren können. Aber in uns selber? Da ist es eine Frage des Alters, der Erfahrungen, des Temperaments und sicher auch der sozialen Intelligenz, ob Warnsignale die mentale Schaltzentrale erreichen. Mein Hochachtung vor den Besonnenen unter uns.
Eskalation hat nichts mit der Sache an sich, sondern immer nur mit den Menschen zu tun. Die Sachebene gerät in den Hintergrund, die Kontroverse wird plötzlich persönlich. Eben noch ging es um ein Thema, plötzlich um mich. Und das eine vom anderen zu trennen, das fällt manchen Menschen überaus schwer. Die nehmen mehr Dinge persönlich als es nachweislich gesund ist. Bedeutet Empathie also Gefahr? Wenn sie derart falsch verstanden wird, dann mit Sicherheit.
Dienstag, 25. Oktober 2011
Sensibles Thema
Wie sensibel bin ich eigentlich? Wie misst man Sensibilität überhaupt? Wann ist man genügend sensibel für die eigenen Ansprüche und die seiner Umwelt? Wann ist man womöglich zu sensibel? Sensibilisiert zu sein, was bedeutet eigentlich das? Oder unsensibel, meint das: keine Sensibilität zu besitzen? Dir fehlt es an Sensibilität! Mein Gott, bist du aber sensibel!
Sensibelchen, wo fangen die an und wo hören sie wieder auf? Mit dem Begriff und dem zugehörigen Gefühl verbinde ich eine ausgeprägte Verunsicherung. Hat es davon doch immer entweder zu viel oder zu wenig. So wie es einem unter diesen alten Schwimmbadduschen geht, unter denen man sich entweder verbrüht oder verkühlt. Man schafft es einfach nicht, die richtige Mischung einzustellen. Millimeter liegen zwischen heiss und kalt, und der Punkt wandert hin und her. Was die jeweils gebotene Sensibilität ist, das lässt sich schlimmstenfalls nicht einmal erlernen. Erklären kann das soundso niemand. Geschweige denn, dass es irgendwo geschrieben steht. Wann nimmt man sein Gegenüber in den Arm, und wann lässt man das besser bleiben? Wann gilt es zu schweigen? Wann ist es zuviel davon? Und wann bleibt es zu wenig? Vorwürfe. Wenn ich an Sensibilität denke, spüre ich Vorwürfe und Blicke. Bohrende Blicke in meinem Rücken. Blicke, die sich abwenden.
Lässt sich Sensibilität gedanklich ergründen? Es lässt. Mit der Kraft der Gedanken alleine? Oder sollten wir besser nachempfinden, hineinspüren, fühlend ertasten? Nur, warum eigentlich. Ist das Gefühlte denn weniger wert als das Gedachte? Glaub' ich nicht, ganz im Gegenteil. Aber man spürt das so und man sagt es so. Obwohl einem klar ist, dass es wohl nicht stimmt. Die Grenzen verschwimmen. Es gibt keine Übergänge. Sensibilität ist so flach und tief wie die stille Wasseroberfläche eines ruhenden Sees.
Wie gerne würde ich von mir behaupten, sensibel genug zu sein. Sensibel genug um zu spüren, wann es soweit ist. Und wann noch nicht. Aber beim Thema der Sensibilität fühle ich wachsweiche Unsicherheit in mir. Ich bin durchweg unschlüssig. Es melden sich andauernd Zweifel über die richtige Einordnung der Gefühlslage. Ist das, was gerade ist, der Sensibilität, der Empathie, dem Mitleid, Mitgefühl, der Furcht oder der Lust zuzuordnen? Es gibt doch so viele Gefühle, die einem den lieben langen Tag begegnen. Die kommen und gehen, überlagern sich, bekämpfen sich. Man kann deren Herkunft und Bestimmung nicht eindeutig festlegen. Jedenfalls kann ich das nicht. Manchmal geraten meine Gefühl sogar ziemlich durcheinander: Ich sollte leiden, empfinde aber Lust. Ich sollte trauern, empfinde aber Lebendigkeit. Oder anders herum. Ist das noch normal? Ist das sensibel? Oder ist das krank zu nennen?
Gefühle sind nicht wie Worte, die sich auseinanderdividieren lassen. Wie Blumen, die man identifizieren kann. Das Gefühle verschwimmt in einem ganzen Gefühls-Ozean. Sind sensible Menschen sich klarer über ihre Gefühle als unsensible? Oder unklarer? Jedenfalls sind Fingerkuppen sensibel. Und die Haut ist es auch.
Vielleicht ist Sensibilität der Blick durch den Frühnebel, der nur erahnen lässt, was da ist, auf uns zu kommt oder hinter den Schwaden verborgen sein mag. Eventuell können sensible Menschen mehr sehen, besser hören, feiner fühlen. Weil sie die Fähigkeit besitzen, den Nebel unserer Wahrnehmung geschickter zu durchdringen. Sensible Menschen ahnen vorher, was nachher sein wird.
Ich glaube, ich wäre gerne sensibel. Für jetzt kann ich das nicht von mir behaupten. Allein deshalb, weil ich nicht weiß, woran das zu erkennen oder wie es zu messen ist. Schade eigentlich.
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