Montag, 2. April 2012
Nicht lange her.
Da hat man noch aus dem Radio auf Kassetten aufgenommen und ist verrückt geworden, wenn der Ansager kurz vor Ende des Songs reingequatscht hat. Dann war die ganze Aufnahme für´n Arsch. Zurück spulen und auf den nächsten Song warten.
Da haben wir auch noch die B-Seite von Schallplatten gehört. Obwohl bei manchen nie. Vor allem bei Singles. Oder weiss jemand was auf der B Seite von „Bobby Brown“ war?
Da haben wir Brieffreundschaften mit einem Mädchen aus Frankreich gehabt. Und so haben wir uns alle 6 bis 8 Wochen einen handschriftlichen Brief geschrieben. Isabelle Labonde hieß meine.
Da hatte das Telefon eine Wählscheibe, war an der Leine und die Eltern machten ein Schloss daran, damit es nicht so teuer wurde. Und daneben lag das obligatorische Kunstleder-Telefonverzeichnis.
Da holte man das Telefonbuch noch selbst bei der Post ab. Und schlug sofort seinen eigenen Namen auf und betrachtete den Eintrag voller Stolz.
Da hatte das Fernsehen 3 Sender. Und keinem viel auf, dass dies wenig sein könnte. Der Höhepunkt der Woche war eine Sendung Namens „Disco“ und alle riefen mit wenn er schrie: „Licht aus...wommm...Spot an...“
Da sprach man Montags über Dalli Dalli, Am Laufenden Band, Der große Preis und wie sie alle hießen.
Da durfte man beim Fußball zum Torwart zurück passen. Da spielten nur die Landesmeister auch im Landesmeister Pokal.
Da wusste kaum jemand, was eine Mango, Papaya, Kiwi und Litschi war. Ich schon gar nicht.
Da stand im Kühlschrank Tri-Trop und Cappy. Man aß Raider und Treets Schokoklicker.
Da gab es im Fernsehen Werbung für Zigaretten. Und es wurde in jeder Sendung geraucht. Und in jedem Film. Und im Auto und im Zug und im Flugzeug und im Restaurant und überall, wo ein Mensch und eine Zigarette reinpassten.
Da waren Ehepaare, die geschieden waren eine absolute Seltenheit. Frauen, die einer Arbeit nachgingen, auch. An Frauen in Führungspositionen kann ich mich gar nicht erinnern.
Da war die einzige nackte weibliche Haut, die man zu sehen bekam in der Brigitte, Petra und für Sie. Wenn man das Glück hatte, dass es um Unterwäsche ging. Schlüpfer wie meine Mutter dazu sagte.
Da machte der erste MC Donald in Deutschland auf und der erste IKEA. Dem Wienerwald ging es schon damals den Umständen entsprechend nicht so gut.
Da hat man sich Bundestagsreden im Fernsehen angesehen, in Schwarz/Weiß. Obwohl der Rest der Welt schon bunt war. Und die Politiker hatten etwas zu sagen und sich gegenseitig auch.
Da gingen alle paar Monate gefühlte Millionen auf die Straße demonstrieren. Gegen alles das, was nun wirklich nicht sein musste.
Da starben Elvis und John Lennon. Und Jim Morrison. Und ein wenig später Freddy Mercury. Nein, das war deutlich später.
Da haben Fussballtrainer am Spielfeldrand geraucht. Spieler in der Halbzeitpause auch.
Da waren unsere Eltern noch so unglaublich jung. Jünger als wir jetzt sind. Da waren wir noch Kinder. So alt wie unsere Kinder jetzt sind. Das aktuelle Sportstudio gab es damals schon. Und die Torwand war schon damals einer der Höhepunkte. Aber alle waren so unglaublich jung. Und die Jungen, die es jetzt gibt, die gab es da noch gar nicht. Natürlich.
Aber manchmal wundere ich mich, wen und was die jungen Menschen alles überhaupt nicht kennen. Wahnsinn denke ich dann, wie kann man das nicht wissen. Bis mir dann einleuchtet - wie denn auch.
Geschrieben von Christof Hintze
in Spontaneitäten
um
08:41
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Tags für diesen Artikel: Entwicklung, Kultur, Mensch, Sozialisierung, Spontaneitäten, Vergangenheit, Vergänglichkeit, Wert, Zeit, Zeitspanne
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