Sonntag, 11. Mai 2008
Teil 2. Das Spiel. La partie. [Das Buch]
Teil 2. Das Spiel. La partie. [Das Buch]
Dafür musste Claude Monet hinhalten. Er war der Mittelpunkt meines Kunstreferats. Mit dem Ergebnis 1+. In dem ich über epische Breite, mit der Schreibmaschine über 80 Seiten verfasste. Die meinen schwulen und tollen Kunstlehrer völlig aus der Fassung brachte. Im positiven Sinne. Denn eigentlich habe ich ein Buch über Claude Monet und den Impressionismus geschrieben. Ich habe recherchiert und studiert wie nie davor und nie mehr danach in meiner Schulzeit. Mit diesem Gesamtwerk habe meine schulische Spitze erklommen. Mal ehrlich 1+. Was soll da noch kommen. Aber auch hier wie gesagt der Auslöser, ganz offensichtlich die Frankophilie. Denn musste es denn Monet sein? Es gibt 100 andere Länder mit anderen Malern. Aber ich musste mal wieder einen Franzosen wählen. Monet hat mich auch noch zu meiner Studienzeit ein wenig begleitet. Im Museum Ludwig in Köln, hing und hängt sicher noch immer ein Seerosenteich. Ein Bild, zu dem ich immer wieder pilgerte. Das hieß, ich zahlte Studententarif für die gesamte Sammlung, ging aber schnurstracks nach oben zum Seerosenteich. Und ließ alle anderen Bilder links liegen. Denn in einem Abstand von ca. 9 Metern stand eine Ledersitzgelegenheit. An einem guten Tag war diese frei. An einem nicht so guten musste ich warten. An einem schlechten hockte da so ein irrer und starrte länger als eine halbe Stunde auf ein und das selbe Bild. Meistens war ich der Irre und hatten einen gute Tag. Ich saß da und saugte die Energie dieses Bildes in mich auf. Rückblickend kann die Stiftung froh sein, dass noch Farbe auf dem Bild ist.
Aber dieser Monet, war mein Blick aufs Meer. Mein Blick vom Gipfel eines Berges. Und das mitten in Köln. Zurück zur Körperhaltung beim Boulespielen, die auch ein wenig an Jaques Tatis erinnert. Eigentlich haben die und zu erwähnen wären noch Asterix und Obelix, Fantomas, die drei Musketiere und Jean Paul Belmondo mein Menschenbild vom Franzosen an sich, maßgeblich geprägt. Immer wenn ich französische Polizisten sah, musste ich unweigerlich an Louis de Funes denken. Obwohl die französische Polizei weit aus strenger ist als die Deutsche. Trotzdem habe ich bei jeder Begegnung einen Lachanfall immer gerade noch vermeiden können. Aber das grinsen war nicht zu verstecken. Asterix und Obelix vermittelten mir das Selbstverständnis der Grand Nation. Die ihren Hochmut wahrt. Egal was auch geschieht. Mit einer solchen Überzeugung das man getrost davon ausgehen kann und muss, dass ganz Frankreich wirklich im Besitz eines Zaubertrankes ist. Meine Lieblingsszene war immer, wenn die Galliere auf die Piraten getroffen sind. Und der Schwarze im Ausguck nur noch stammeln konnte: die ga.. Ga.. Und dann schwammen alle nur noch auf Planken und Kisten im Meer. So stellen sich Franzosen das vor. Wenn sie mal loslegen. Dachte ich mir. Aber zurück zum Spiel. Nun wirft der erste Spieler seine erste Boule. So nah wie möglich an das Schweinchen. Werfen. Was für ein einfaches Wort für einen hochkomplexen Vorgang. Die Kunst des Bogenschießens nimmt auch ca. 400 Seiten ein. Beim perfekten Boulewurfes ist das ähnlich. Der über Jahre heranreifen muss. Stunden um stunden. Wurf um Wurf. Ähnlich wie beim Bogenschießen - schießen. Als ob man schon deshalb treffen würde, nur weil man den Pfeil losläßt. Die meisten würden nicht mal die Scheibe treffen und sich mit der sehne verletzen. Beim Boule ist das identisch. Es sieht so leicht aus, aber ein guten Wurf nicht nur einmal aus einer glücklichen hand geworfen, ist eine Kunst für sich. Alles was leicht aussieht, ist viel komplexere und schwieriger als man im allgemeinen annimmt. Beim Boule ist das wie beim Golf.
Jeder hat mal einen guten Schlag, aber es geht nicht darum mal eine Kugel ordentlich zu legen, sondern einen möglichst hohen Prozentsatz ideal zu spielen. Beim Golf wird ein Fehlschlag gleich böse bestraft. Beim Boule ist das nicht so dramatisch. Aber die es wirkt sich auf die Statistik im kopf aus. Denn jeder wird von 100 würfen einige sehr nah an das Schweinchen bringen. Aber die guten bringen immer 80 % nah ran und die sehr guten über 90%. Deshalb ist der kürzeste Golfwitz, auch gleichzeitig der kürzeste Boulewitz: „ich kann´s jetzt!“ Boule spielen kann man auch mit der des Filme machen von Jaques Tatis gut vergleichen. Der hat Jahre an seinen filmen gefeilt. Der hat endlose Einstellungen immer wieder ins Visier genommen. Der hat solange an allen Parameter geschraubt, bis die Szene seiner Vorstellung entsprach. So ist es auch beim Boule man hat eine Vorstellung aber man spürt oder sieht, dass die Ausführung damit nicht im Einklang ist. Und genau das verbessert man, verändert man. Ständig und stetig. Deshalb ist es nur logisch das ein Filmemacher wie Tatis aus dem Land des Boulespieles kommt. Wer gibt sich schon so viel Mühe für solche Kleinigkeiten? Aber genau das macht die Qualität seines Lebenswerkes aus. Das macht auch die Qualität eines Boulspielers aus. Er berücksichtigt immer alle möglichen Parameter. Das Wetter, das Licht, der Boden, die Entfernung, den Mitspieler, den Gegner, die Temperatur, den Spielstand, die Spielsituation, die Tagesform, alles einfach alles muss im Einklang sein. Eine klare Vorstellung von dem was zu tun ist und sich nie mit Weniger zufrieden geben. Witzig dabei ist zu beobachten, dass alle Boulespieler Rituale haben. Die sie vor jedem Wurf exakt wiederholen. Einige sind wirklich sehr amüsant zu beobachten. Andere kann man mit dem bloßen Auge kaum erkennen. Das Scharren mit den Füßen. Das Richten der Mütze. Das Polieren der Kugel. Das Drehen der Kugel in der Hand. Das Kratzen im Nacken. Das Hinknien und wieder aufstehen und wieder hinknien und wieder aufstehen. Der perfekte Boule Wurf wird also folgendermaßen ausgeführt. Immer wieder. Vor allem immer mindestens einmal mehr als der Gegner. Man wirft gegen seine eigene innere Statistik. Heute 80% super gelegt und 60% getroffen.
Aber man braucht lange Zeit um das in Fleisch und Blut übergehen zu lassen. Von der idealen Wurftechnik gibt es aber eine Reihe von Abweichungen, die ebenso gut funktionieren. So schleichen sich bei den meisten Spielern Ticks ein. Diese lassen aber das Individuum Mensch zum Vorschein kommen. Man erkennt Menschen am Wurf, wie an ihrem Gesicht. Der Wurf ist so individuell, wie der Fingerabdruck. Die Körperbewegung ist manchmal alles andere als rund und harmonisch. Aber wenn das Ergebnis stimmt, ist das okay. Daran sollte man nichts ändern. Stimmt das Ergebnis nicht, sollte man seine Wurftechnik überdenken. Obwohl es offensichtlich ist, dass umso verwirrter und absurder die Wurftechnik wird, auch die schlechte Statistik das deutlich zum Ausdruck bringen würde. Aber die hat jeder Spieler ja nur selbst im Kopf. Und nicht jeder ist ehrlich zu sich selbst. Man legt die Kugel eigentlich ruhig in die Handinnenfläche. Die natürlich in Richtung Himmel geöffnet ist. Die Hand ist flach und ausgestreckt. Die Kugel ruht wie ein kleiner See im Handteller. Dann schließt man die Hand, sanft. Als ob ein Vogel darin sitzen würde. So das er nicht weg fliegen kann, aber erdrücken will man ihn ja auch nicht. Also, langsam und behutsam. Und zwar so, dass die Fingerspitzen beim Schließen eine gerade Linie bilden und der Daumen die Kugel nicht berührt. Wenn man den Arm jetzt gerade ausstrecken würde, bilden Mittelfinger und Ringfinger Kimme und Korn. Der Daumen wird locker abgespreizt. Er würde nur die gerade und direkte Wurflinie beeinflussen. Deshalb sollte er die Kugel nicht tangieren. Viele greifen die Kugel mit dem Daumen, dass geht in der Summe der Würfe aber auf Kosten der Präzision. Der Druck der Finger muss angemessen sein, nicht zu hoch, das verzieht den Wurf in eine zu hohe Flugbahn und nicht zu locker, dass läßt die Kugel frühzeitig aus der Hand nach unten entwischen. Beides Nebenwirkungen die der Annäherung an das Schweinchen hinderlich sind. Aber im Prinzip ist Boule ein sehr einfaches Spiel. Die große Kugel muss in die nähe der kleinen Kugel. Appropos Nähe. Was auch ein Spiegel der Liebes- & Leidensbeziehung zwischen Deutschland und Frankreich ist, ist die Tatsache der Marktanteile im Automobilmarkt.
Der zeigt eines deutlich. Das geht hier nicht mit rechten Dingen zu. Also, mit Fakten kann das nichts zu tun haben. Wenn sie zum Beispiel ins Saarland fahren, haben die Franzosen ein ziemlich großes Stück vom Kuchen. In Frankreich natürlich den größten Brocken vom Markt. Aber sie müssen nur einen Schritt über die deutsch-französische Grenze machen und schon glaubt der eine, dass der andere keine Autos bauen kann. Wir reden hier nicht von ein paar Prozent, wir reden hier von erdrutschartigen Verschiebungen der Marktanteile. Wie kommts? Sehen sie, so weit sind wir eben noch nicht. Dabei kann man getrost davon ausgehen, das die Produkte in ihren technischen Qualität bei weitem nicht so weit auseinander liegen, wie die Marktanteile den Anschein machen. Die Emotionen. Ja, die Emotionen. Da kann man bauen was man will, wenn die Emotionen im Spiel sind, kann man alle Argumente in die Tonne hauen. Auch ein Merkmal des Boulespieles. Die Emotionen zuzulassen, als beeinflussendes Merkmal, ist enorm wichtig Aspekt. Wer sauer, gereizt und provoziert wirft, wirft schlechter. Wer mit Unlust, gelangweilt und desinteressiert wirft, wird ebenfalls schlechter werfen. Das Spiel braucht die Konzentration und Emotionalität, die es braucht. Nicht mehr nicht weniger. Das gilt es in der Waage zu halten. Schwer, für viele zu schwer. Für die wirklich sehr Guten, kein Problem. Im Wurfkreis fixiert man nun ausschließlich den Punkt, auf dem die Kugel landen soll. Und von wo diese dann sich auf machen soll zum Schweinchen. Hat man diesen fixiert mit den Augen. Dann lässt man diesen fixierten Punkt am besten nicht mehr aus den Augen. Justieren nennt man das. Der Visionär kann sich den Wurf vorstellen. In Gedanken wirft er genau auf den anvisierten Punkt und sieht sich den Verlauf der Boule an. Stimmt die Vorstellung mit seinem ausgewählten Wurf überein, wirft er. Der gedachte und der wirklich gemachte Wurf sind zwei unterschiedlichen Wurfwelten. So tun viele Spieler so, als sei der gute Wurf, der ihnen gerade gelungen ist, auch so gedacht wäre. Dem ist bei weitem oft nicht so. Glück gehabt. Der wirklich gute Spieler, orientiert sich nur an der Übereinstimmung von gedachtem und gemachtem Wurf.
Ist das Glück mal auf seiner Seite, sieht man ihm das sofort im Gesicht an. Vom Pech lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen. Wenn alle Spieler vorher sagen müssten, welchen Wurf sie machen wollen, würde man den großen Unterschied zwischen gedacht und gemacht sichtbar machen können. Darum werden einige nie besser. Weil sie auf das Glück vertrauen. Das ihnen einige zur Seite steht, dem großen Rest nicht. Denn das Glück darf man nicht immer auf seiner Seite wähnen. Mit dem Glück macht man langfristig keinen Deal. Mit dem Können schon eher. Was man einmal anvisiert hat, muss man genau im Blick behalten. Man winkelt beide Füsse leicht seitlich ab. So das diese nicht mehr frontal zum Schweinchen stehen. Sondern ein wenig versetzt. Dann beugt man die Knie locker und leicht durch. So, das man ein wenig federt. Das Bein auf der Wurfseite wird nun noch weiter abgewinkelt. Also ans Standbein heran und aus der Wurflinie heraus. So das der Arm frei schwingen kann, und vor allem gerade, wie ein Pendel, ohne einen Bogen um das Bein machen zu müssen. Das wäre ungut für die Wurfausbeute. Der Arm muss frei schwingen können. Deshalb steht man - kurze Zeit - in etwa so da, als ob man ganz dringend pinkeln müsste. Genau genommen steht so nur das eine Bein da. Aber wir wollen es nicht komplizierter machen, als es ist. Denn wie gesagt, es ist ein einfaches Spiel. Die große Kugel muss in die Nähe der kleinen. Mehr ist es eigentlich nicht. Nun dreht man die fixierte Eisenkugel im Handteller, um 180 Grad mit dem Handrücken nach oben. Konzentriert sich dabei immer auf den Punkt auf dem die Kugel landen soll. Wobei die Fingerkuppen weiterhin eine Linie bilden. Sollte die Kugel jetzt schon auf den Boden fallen. Direkt vor die Füße, zum Glück davor, dann war der Griff viel zu locker. Der Arm ist nun um 45 Grad nach vorne gestreckt, nicht zu weit. Nicht nur das 90 grad einem Hitlergruss ähneln würde, sondern es wäre auch unnatürlich. Der Blick auf die Kugel ist unwesentlich. Der Blick auf den Landepunkt ist ausschlaggebend. Der Arm deutet in die entsprechend richtige Richtung. Die Hand mit der Kugel natürlich auch. Als ob man sagen würde, da sitzt ein schöner Schmetterling auf dem Boden. Wo?
Na da! Also auch nur so weit ausholen wie es eines natürlichen lockeren Schwunges bedarf. Ohne Kraft und ohne Umwege. Beim eigentlichen Wurf schaut man nicht auf den Arm, die Hand, die Kugel, sondern nur auf den Punkt, auf dem die Kugel das erste Mal Bodenkontakt haben soll. Des Weitern soll die Kugel gut ausgestattet fliegen. Mit dem nötigen Rückdrall. Oder ohne. Man kann der Kugel jeden gewünschten Effet mitgeben. Damit die Kugel wenig, viel, schnell oder langsam geradeaus, oder nach links wie rechts rollt. Man kann auch so werfen, dass die Kugel auf dem Aufschlagpunkt liegen bleibt. Kommt darauf an wie weit, oder wie schnell sie rollen soll. Die Flughöhe und der Effet sind maßgeblich verantwortlich für das Rollverhalten. Die Flugkurve gibt ebenfalls Aufschluss über die Art des Wurfzieles. Das kann man in allen erdenklichen Ausrichtungen beeinflussen. Denken sie an das Bein. Der Aufschlagpunkt am Boden noch immer fest im Visier. Der Schmetterling am Boden. Nun schwingt der Arm wie ein Pendel ganz behutsam und entspannt durch nach hinten. Die Augen auf den Punkt gerichtet. Um dann wieder nach vorne zu kommen und beim idealen Auslasspunkt gleitet die Kugel nun über die Fingerkuppen, die nun ausgestreckt sind, auf dem direktesten und geradesten Weg zum Aufschlagplatz. Die Länge des Schwungs entscheidet über die Flughöhe oder -tiefe. Verlässt die Kugel zu einem späten Zeitpunkt die Hand wird die Kugel eine hohe Flugkurve annehmen. Mit einem Rückdrall versehen wird die Rollbahn sehr kurz werden. Würde die Kugel früher als auf oder unteren Hüfthöhe die Hand verlassen und ohne Rückdrall, dann würde die Kugel eine lange Rollbahn nehmen. Somit gibt es immer einen optimalen Wurf. Immer. Einen richtig guten. Den gilt es zu erkennen und immer wieder zu versuchen. Bis er immer wieder und immer häufiger gelingt. Gedacht – getan. Die Beine und der ganze Körper schwingen dabei rhythmisch leicht mit. Und unterstützen die Kugel so auf ihrem Weg zu dem Ort, an dem der Schmetterling sitzt. Bei der ganzen Prozedur gilt die Konzentration nur dem Punkt, an dem die Kugel landen soll.
Alles andere geht automatisch mit der Zeit ins Blut über. Als ob man etwas aus einigen Metern Entfernung in den Papierkorb werfen wollte. Nun ist die Sekunde der Wahrheit gekommen. Der Moment des immer währenden Lernens. Was uns Menschen von den Tieren maßgeblich unterscheidet. Von dem wir aber nur ungern oder zu selten Gebrauch machen. Denn der Boulespieler kann aus jedem Wurf, den er selber macht etwas lernen. Zu hoch, zu kurz, zu lang, zu schnell, zu langsam, zu weit rechts, zu weit links. Auch aus allen anderen Würfen die er bei anderen Spielern aufmerksam verfolgt, kann er immer etwas lernen. Denn wenn jemand vor ihm wirft, kann er aus diesem Wurf wichtige Schlüsse für seinen eigenen Wurf ziehen. Auch aus schlechten Würfen lernt man, wie es nicht geht. Schlechte Würfe bestätigen die Annahme – so nicht. Man muss vor dem eigenen Wurf sich für einen entscheiden. Das ist wie beim Elfmeter. Man sucht sich vorher die Ecke aus. Nicht während des Schusses. Das geht in die Hose beziehungsweise in der Regel am Tor vorbei. So auch beim Boule. Wer im Wurfablauf erst nachdenkt, wohin die Reise gehen soll. Der hat keine wirkliche Kontrolle. Wer im Wurf korrigieren will, dem wird das nicht gelingen, sondern der gesamte Wurf wird vollends misslingen. Fragen über Fragen, die im Wurf nicht auftauchen dürfen. War dieser Wurf richtig oder falsch gewählt? Geschweige. Hat das ganze Wurfszenario überhaupt dazu geführt, diesen Aufschlagpunkt auch erreicht zu haben? Wobei so nah wie möglich nicht immer gut sein muss. Denn wenn der Gegner einen guten Schiesser sprich „tireur „ hat, dann sollte man nur so nah an das Schweinchen legen, dass der Schiesser denkt, ach da kommen wir noch näher mit dem Legen ran. Ab jetzt beginnt die Strategie. Alles zuvor ist nur werfen. Kann man werfen, beginnt man in die zweite Ebene der Strategie einzutauchen. Denn das werfen der Boule besteht aus legen oder schießen. Davor rollen, raus rollen, Schweinchen ziehen. Blockieren. Einen Punkt hergeben, statt vier zu riskieren. Und viele Szenarien mehr.
Man legt entweder heran, oder schießt eine nahe Kugel weg. Mal ganz einfach erklärt. Das alles um am Ende zum einen am nächsten am Schweinchen zu sein. Zum anderen mit so viel Boule wie möglich. Das Spiel geht bis 13 Punkte. Wann man die Punkte mach ist egal. Man muss nur um zu gewinnen 13 machen. Deshalb sollte man seinen Wurf nicht beeinflussen lassen vom Punktestand. Jede Kugel am nächsten zum Schweinchen, vor der ersten Kugel des Gegners am nächsten zum Schweinchen, zählt als Punkt. Habe ich es nicht gesagt, das ist ein ganz einfaches Spiel. Die jeweiligen Spielkugeln dürfen während des Spiels nicht gewechselt werden. Ohne das die Zustimmung des Gegners eingeholt wurde. Aber dafür muss ein triftiger Grund vorliegen. Das Schweinchen muss einen Meter von allen unbeweglichen Hindernissen entfernt liegen. Außer, der Gegner und man selbst legt fest, dass der Gegenstand akzeptiert wird und seine Berührung zum Spiel dazu gehört, also die Kugel nicht tot – das heißt „aus“ , ist. Man darf beim Abwurf nicht übertreten. Warum sonst auch der Wurfkreis. Nach einem Spiel verwischt man mit dem Fuss den alten Abwurfkreis. Damit kein Chaos entsteht. Welcher Kreis? Der oder der? Oder der? Und man darf nicht näher als zwei Meter in der Wurflinie eines Spielers stehen. Das gilt als Behinderung des Gegners. Die eigenen Mitspieler dürfen stehen, wo sie wollen. Beim Boule lernt man an der Art, wie die Spieler spielen, viel über die Menschen an sich kennen. Eigentlich alles. Die Sturheit. Die Offenheit. Die Verbissenheit. Die Geselligkeit. Die Ehrlichkeit. Die Genauigkeit. Die Teamfähigkeit. Die Lernfähigkeit. Alles. Ich behaupte ich kann nach 10 Minuten Boule spielen, mit Boulespielern, also keinen Anfängern, mehr über die Person erzählen, als jede Familienaufstellung, aber ähnliches. Aber mich fragt ja keiner. Da gibt es zum Beispiel die totalen Sturköpfe, die niemals ihren Wurf den Bodenverhältnissen anpassen würden. Die mit biegen und brechen, die Realität verbiegen wollen. Die immer den gleichen falschen Wurf machen.
Und je nach Bodenbeschaffenheit spielen diese miserabel oder ganz passabel. Auch der Wurfstil sagt viel aus. Es gibt Spieler, die einen so schlechten Wurfstil haben. Das nur jede 20igste Kugel mal in die Nähe des Schweinchens kommt. Aber die haben sich daran gewöhnt und können den Stil einfach nicht mehr umstellen. Aber auch im Boule ist es wie im wirklichen Leben. Ich kann nicht, heißt ich will nicht. Dann gibt es die, die immer die letzte Kugel im Team haben müssen. Aber eigentlich damit nur Unfug anrichten. Die sich einen unkopierbaren Wurfstil angewöhnt haben. Die, die immer reden beim Spiel – dazu gehöre ich. Die mit der großen Klappe – dazu auch. Und die, die immer überrascht tun. Obwohl sie den Wurf genau so gewollt haben und schon tausendmal exakt getan haben. Die sich im tripplet immer so postieren, dass ihre Kugeln erst zum Schluss ins Spiel eingreifen. Dann gibt es die Spieler, die ganz überraschende Dinge tun. Im Team. Man denkt, der legt. Weil nur legen schlimmeres verhindert und schwupp wird doch – vorbei – geschossen. Dieser Typ räuspert sich dann so, als ob er eine geniale Idee hatte, die aber keiner versteht. Dann gibt es Spieler, die sind so zurückhaltend das man die eigentlichen Qualitäten nicht erkennt. Vor allem Frauen. Sie sind oft die besseren Boulespieler, aber drängen sich nicht so auf. Dann gibt es die nur Boul mit dem Mund spielen. Die wollen zwar immer. Reden so, als ob sie spielen könnten. Aber es kommt immer was dazwischen. Dann gibt es die wirklich gestörten. Die unglaublich unübersehbar schlecht spielen, aber immer alles andere dafür verantwortlich machen, sogar die Mitspieler, den Boden, die Kugeln, den Stein. Dann gibt es die Leger. Die mit ruhiger Hand 95 % der Kugeln dahin rollen, wohin sie diese haben wollen. Und natürlich gibt es auch die Schießer. Die ebenfalls über 90% aller Kugeln weg katapultieren. Dann gibt es die nervigen Spieler. Die ewig den Boden betrachten, immer die letzten Löcher mit dem Fuß wieder glätten. Es gibt die lustigen. Die listigen. Und sogar die bösartigen. Es gibt im Boul alles, was es im wirklichen Leben auch gibt. Aber vor allem gibt es die guten und die schlechten. Die schlechten tun aber auch nichts, um wirklich besser zu werden.
Betrunkene. Fleißige. Faule. Dicke. Talentierte. Pessimisten. Glückliche. Optimisten. Ängstliche. Übermutige. Könnte es sein, dass man in Frankreich zu einem Einstellungsgespräch seine Kugeln mitbringen muss? Oder wenn man beim Schwiegervater vorstellig wird. Aus dem Boulespiel eines Boulespielers kann man alles lesen. Wie andere aus dem Kaffee, oder aus den Karten, der Hand oder allem anderen. Keiner kann seinen Charakter verbergen. Das Spiel deckt alles auf. Die guten Seiten und die nicht so guten. So sehr man sich [...Nächste Seite]